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Was tun gegen Korruption in Thüringen? Das sagen die Parteien

Eine kommentierende Analyse von Prof. Dr. Christoph Biskup, Leiter der Regionalgruppe Thüringen von Transparency Deutschland

Erfurt, 30.08.2024

Am 1. September wird der Thüringer Landtag neu gewählt. Die landespolitische Debatte wird derzeit leider häufig auf Themen gelenkt, die stärker die Bundespolitik betreffen. Es ist Zeit, wieder landespolitische Themen in den Vordergrund zu rücken.

Transparency International Deutschland e.V. hat deshalb acht Fragen zu landespolitischen Themen, die der Organisation besonders wichtig sind, an die demokratischen Parteien geschickt, die sich Hoffnungen auf einen Einzug in den Landtag machen können. Die kompletten Antworten der Parteien Bündnis 90/ Die Grünen, BSW, CDU, FDP, Die Linke und SPD finden Sie hier zum Download.

Wie ist es aus Sicht der Parteien um die Korruptionsprävention bestellt? Was kann verbessert werden? Was muss an den gesetzlichen Rahmenbedingungen, die die Transparenz im Handeln der Exekutive und Legislative sicherstellen sollen, verbessert werden? Was muss an der Vergabe öffentlicher Aufträge auf Landes- oder Kommunalebene verbessert werden? 

Informationsfreiheit

Was den rechtlichen Rahmen zur Transparenz und Korruptionsprävention angeht, hebt sich der Freistaat Thüringen von vielen Bundesländern positiv ab: Thüringen hat seit vier Jahren ein Transparenzgesetz, in dem die Auskunftsrechte der Bürger und die Informationspflichten der Verwaltung auf Landesebene festgelegt sind und Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Informationen auf Kommunalebene geschaffen werden sollen. Information ist die Basis für die Mitwirkung der Bürger:innen im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben. Der freie, unzensierte Informationsfluss zwischen Staat und Bürger:innen ist eine wichtige Voraussetzung für die Demokratie, und nur mit verlässlichen Daten informierte Bürger:innen können politische Prozesse verstehen, hinterfragen und eine gute Wahlentscheidung treffen. Schneller, einfacher Zugang zu verlässlichen Informationen erleichtert die eigenständige Meinungsbildung und beugt Populismus vor. Indem Verwaltungsvorgänge von allen Bürger:innen hinterfragt werden können, zwingt das Transparenzgesetz gleichzeitig Entscheidungsträger zu verantwortungsvollem Handeln und beugt Korruption effektiv vor. Gelebte Transparenz stärkt das Vertrauen der Bürger:innen in alle Ebenen der Politik und fördert die Identifikation mit dem Staat.

Doch wie sieht es mit der Umsetzung dieser Ideale in Thüringen aus? Gibt es aus der Sicht der Parteien Probleme, die noch angegangen werden müssen? Wir fragten deswegen:

Wie möchten Sie das Thüringer Transparenzgesetz in der kommenden Legislaturperiode reformieren und damit Informationen den Bürger:innen einfacher zugänglich machen? Wie soll die kommunale Ebene bei der Schaffung von mehr Transparenz unterstützt werden? (Frage 3 - Transparenzgesetz)

Der Vergleich mit der Gesetzgebung anderer Bundesländer zeigt, dass es in Thüringen noch Handlungsbedarf gibt. Das geht aus dem Transparenzranking von Mehr Demokratie und FragDenStaat hervor. Mit der bestehenden Gesetzeslage sollten wir uns also nicht zufriedengeben. Die Antworten der Parteien reichen von einer das Gesetz ablehnenden Haltung (CDU) bis zu konkreten Vorschlägen, wie Defizite, die sich aus der Evaluierung des Gesetzes ergeben haben, angegangen werden sollen (Bündnis 90/Die Grünen).

Beschaffung und Vergabe

Entscheidungen der Verwaltung betreffen auch die Vergabe öffentlicher Mittel. Jährlich vergeben Bund, Länder und Kommunen in der Regel auf der Basis von Ausschreibungen öffentliche Aufträge, die viele Milliarden Euro umfassen. Das Volumen der Aufträge von Ländern und Kommunen übertreffen dabei die des Bundes. Statistisch werden auf der kommunalen Ebene die meisten Korruptionsfälle festgestellt und verfolgt. Hohe Auftragssummen, undurchschaubare Entscheidungsprozesse oder persönliche Verflechtungen von Entscheidungsträgern sind Faktoren, die dazu beitragen. Transparent gestaltete Ausschreibungen, die es auch überregionalen Anbietern erlauben, Gebote abzugeben und einfache, aber rechtssicher gestaltete Vergabeverfahren sind notwendige Voraussetzungen dafür, kompetitive Angebote von kompetenten Unternehmen einzuholen und Steuergelder verantwortungsvoll auszugeben.

Wie stehen die Parteien in Thüringen zu einer landesübergreifenden Vereinheitlichung der Vergaberichtlinien? Wie kann durch mehr Transparenz in Vergabeverfahren Korruption verhindert werden? Wir stellten den Parteien folgende Fragen:

Sind Sie für die bundesweite Angleichung von Vergaberegelungen, um das Vergaberecht zu entbürokratisieren? (Frage 6 - Bundesweites Vergaberecht)

Sind Sie für eine flächendeckende Digitalisierung der öffentlichen Beschaffungsabwicklung von Land und Kommunen zur Vereinfachung von Vergabeprozessen, Stärkung der Revisionssicherheit und Vergrößerung der Transparenz für Wirtschaft und Zivilgesellschaft? (Frage 7 - Digitalisierung von Vergabeprozessen)

Sind Sie für eine Einführung von datenbasiertem Monitoring von Korruptionsrisiken? Sind Sie für eine Bekanntmachung sämtlicher Ausschreibungen, Auftragsbekanntmachungen und sämtlicher Vergabeunterlagen aus Thüringen als offene Daten über den Bekanntmachungsservice des Bundes? (Frage 8 - Open Data in der Vergabe)

Auch hier unterscheiden sich die Antworten der Parteien deutlich in ihren Zielen und ihrer Differenziertheit. Machen Sie sich ein eigenes Bild. Empfehlungen von Transparency Deutschland zu den Themen können Sie auf unserer Webseite finden.

Lobbytransparenz und Verhaltensregeln für Abgeordnete

Neben der Transparenz von Entscheidungen der Exekutive ist die Transparenz der Legislative wichtig. Wie kommen Gesetze zustande? Wer hat auf den Gesetzgebungsprozess Einfluss genommen? Wie unabhängig sind unsere Abgeordneten?

Thüringen belegt zwar im Lobbyranking von Transparency Deutschland den ersten Platz. Insbesondere durch die 2018 eingeführten Karenzzeitregeln und den Legislativen Fußabdruck zeigt sich Thüringen im deutschen Vergleich als Spitzenreiter beim Schaffen von Lobbyintegrität. Doch bedeutet das nicht, dass Verbesserungen erzielt werden können. Wir stellten den politischen Parteien folgende Fragen:

Wie soll die Durchsetzung des neu eingeführten Thüringer Lobbyregisters verbessert werden? Wie sollen dabei die Vollzugsdefizite in der Dokumentation angegangen werden? (Frage 4 – Lobby­register und Beteiligtentransparenzdokumentation)

Wollen Sie die Offenlegungspflichten von Nebeneinkünften und Interessenkonflikten weiter verbessern sowie auch den Zeitumfang der Nebentätigkeiten veröffentlichungspflichtig machen? (Frage 5 - Regeln für Abgeordnete)

Auch hier fallen die Antworten der Parteien recht unterschiedlich aus. Sie reichen von einer das Thüringer Lobbyregister grundsätzlich ablehnenden Haltung (FDP) bis zu einer sehr differenzierten, das Gesetz befürwortenden Haltung, die Verbesserungsvorschläge einschließt (Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke).

Das Mandat von Abgeordneten sollte unabhängig sein und nicht durch Interessenkonflikte beeinträchtigt werden. Nebentätigkeiten, die die eigentliche Arbeit der Parlamentarier:innen beeinträchtigen können, sind bekannt zu geben. Auch hier sind die Vorschläge von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke sehr detailliert. Interessant ist der Vorschlag, nicht nur die mit einem Nebenamt verbundenen Einkünfte, sondern auch die für das Nebenamt aufgewandte Zeit deklarieren zu müssen.

Hinweisgeberschutz

Ein gesetzlicher Rahmen, der Legislative und Exekutive zu transparentem, überprüfbarem Handeln zwingt, ist ein wichtiger Baustein in der Korruptionsprävention. Doch was ist, wenn etwas „schiefläuft“? Wie können Missstände aufgedeckt werden? Wie entschieden wird gegen Korruption vorgegangen?

Korruption erfolgt verdeckt und wird oft nicht durch interne Prüfungsverfahren, sondern durch Hinweisgeber aufgedeckt. Für interne wie externe Hinweisgeber müssen Meldewege geschaffen werden, die es ihnen erlaubt, auf Missstände hinzuweisen, denen dann entschieden nachgegangen wird. Gleichzeitig muss verhindert werden, dass Hinweisgeber wegen ihres Handelns benachteiligt werden. Effiziente Korruptionsprävention im öffentlichen und privaten Sektor erfordert daher den Schutz der Personen, die durch ihre Hinweise Korruption aufdecken und so die Beseitigung von Missständen erst ermöglichen. Den Schutz von Hinweisgebern hatte zunächst die Europäische Union vorangetrieben, indem sie im Oktober 2019 die Richtlinie 2019/1937 zum Schutz von Personen verabschiedete, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. Da Richtlinien im Gegensatz zu Verordnungen nicht direkt gelten, mussten die Mitgliedstaaten sie in nationales Recht umsetzen.

In Deutschland hat die Umsetzung des EU-Rechts und die Erweiterung auf Verstöße gegen das Recht des Bundes und der Länder sehr lange gedauert. Das Hinweisgeberschutzgesetz des Bundes wurde erst im Mai 2023 verabschiedet. Viele Bundesländer haben noch keine eigenen Hinweisgeberschutz­gesetze verabschiedet. Der Thüringer Landtag hat im Juli dieses Jahres ein Gesetz (ThürAGHinSchG) beschlossen, das einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sicherstellt, die Einrichtung interner und externer Meldestellen vorsieht und das Thüringer Beamtengesetz abändert. Die Ausgestaltung des Gesetzes durch Rechtsverordnungen, insbesondere, was die Einrichtung einer externen Meldestelle angeht, ist aber noch offen. Wir stellten Parteien deswegen folgende Frage:

Wie wollen Sie die geplante externe Meldestelle des Landes Thüringen ausgestalten? (Frage 2 -Hinweisgeberschutz)

Viele der Parteien gehen in ihrer Antwort auf den Kern der Frage nicht ein. Die CDU sieht in der Einrichtung einer externen Meldestelle eine unnötige Ausweitung bürokratischer Strukturen. Die SPD schlägt vor, die vom Bund eingerichtete Stelle zu nutzen, und die FDP schlägt vor, zunächst Erfahrungen der internen Meldestellen auszuwerten, bevor eine externe Meldestelle eingerichtet wird. Ob eine externe Meldestelle eingerichtet wird, steht jedoch nicht zur Debatte. Die Einrichtung dieser Stelle ist am 02.07.2014 im ThürAGHinSchG bereits beschlossen worden. Von ebenso wenig Kenntnis der Gesetzeslage und Strukturen zeugt der Vorschlag des BSW, dass die beim Thüringer Innenministerium angesiedelte Leitstelle Korruptionsbekämpfung auch anonyme Meldungen entgegennehmen können sollte. Das ist bereits jetzt möglich.

Differenzierte Antworten mit konkreten Vorschlägen kommen nur von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Sehr gut ist der weiterreichende Vorschlag, die Stelle einer Ombudsperson einzurichten, die sich auch Verwaltungsmängeln annimmt und mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet ist, um diese beheben zu können. Die Leitstelle Korruptionsbekämpfung prüft nur Eingaben auf Stichhaltigkeit und leitet sie an die Staatsanwaltschaft weiter. Doch sind die Thüringer Strafverfolgungsbehörden hoffnungslos überlastet. Auch ist nicht jeder Missstand strafwürdig. Die Grenzen zwischen Unfähigkeit und Veruntreuung sind fließend. Die Einrichtung einer Stelle, die sich solcher Missstände annimmt, ist dringend geboten und trägt letztendlich zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern bei.

Auch wenn Thüringen im Vergleich der Bundesländer in vielen Dingen eine Vorreiterrolle eingenommen hat, gibt es noch viel zu tun – das hat der Blick auf die einzelnen Teilbereiche gezeigt. Die Frage, die wir den Parteien als erstes gestellt hatten, gibt einen generellen Eindruck davon, wo die Parteien Handlungsbedarf sehen. Wir fragten:

Wird sich Ihre Partei für die Stärkung der Korruptionsprävention in Thüringen einsetzen? Welche konkreten Maßnahmen sind dafür geplant? (Frage 1 – Korruptionsprävention)     

Schauen Sie sich die Antworten der Parteien an. Auch die Antwort zu dieser Frage zeigt, welche Parteien konkrete Pläne zur Korruptionsprävention in Thüringen haben und welche Parteien sich nur auf populistische Floskeln beschränken.