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Pressemitteilung Politik

Wahlprüfsteine zur Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg: Parteien beziehen Stellung zu Korruptionsbekämpfung und Transparenz

08.03.2011

Stuttgart, 08.03.2011 - Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland e.V. hat heute die Ergebnisse ihrer Wahlprüfsteine zur Landtagswahl in Baden-Württemberg am 27. März 2011 veröffentlicht. Die Parteien CDU, SPD, FDP, Bündnis 90 / Die Grünen, DIE LINKE, ödp und die Piratenpartei hatten seit November 2011 Gelegenheit, zu Themen der Korruptionsbekämpfung und Transparenz Stellung zu beziehen. Von den acht angeschriebenen Parteien antworteten sieben.

Der Fragebogen umfasste Fragen zum Informationsfreiheitsgesetz (IFG) für Baden-Württemberg, Verhaltensregeln für Regierungsmitglieder, Nebeneinkünfte von Landtagsabgeordneten, die Einführung eines Lobbyistenregisters sowie zur Arbeit und Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden. Einem Gesetzesvorhaben zur Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes standen bis auf die CDU alle Parteien offen gegenüber. Die Forderung nach der Einsetzung von Ethikräten zur Vermeidung des sogenannten „Drehtürprinzips" wurde von allen Parteien - außer der FDP und einschränkend durch die CDU – befürwortet. Während hinsichtlich eines Lobbyistenregisters Uneinigkeit unter den befragten Parteien besteht, sind sich die Parteien einig, dass ein zusätzlicher Stellenabbau zumindest bei der Betriebsprüfung und Steuerfahndung nicht in Frage kommt.

Prinzip der Amtsverschwiegenheit / Informationsfreiheitsgesetz / Offenlegung von Gutachten

Alle Parteien sprachen sich in der Befragung für mehr Transparenz und Bürgernähe aus. Die von den Parteien aufgezeigten Wege zu diesen Zielen stellen sich jedoch teilweise als grundlegend verschieden dar. Transparency Deutschland fordert seit geraumer Zeit die Umsetzung eines Informationsfreiheitsgesetzes, wie es bereits im Bund und in elf Bundesländern Realität ist. In Baden-Württemberg existiert bislang kein derartiges Gesetz. Ein Informationsfreiheitsgesetz soll den Bürgern gegenüber Behörden einen Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen gewähren, ohne diesen rechtlich, wirtschaftlich oder in einer anderen Art und Weise begründen zu müssen. Entgegen dem bisher geltenden Prinzip der Amtsverschwiegenheit soll der freie Zugang zu Informationen nach dem Öffentlichkeitsprinzip gewährleistet werden. Ziel ist dabei nicht nur die Schaffung von Transparenz und die Bekämpfung von Korruption, sondern auch die Förderung demokratischer Meinungs- und Willensbildung.

Leider werden von der CDU Vorschläge, die in diese Richtung gehen, gänzlich abgelehnt. Bestehende gesetzliche Grundlagen zur Bekämpfung von Korruption und Ämtermissbrauch werden als „ausreichend erachtet", weitergehende Einsichtsrechte, die mehr Transparenz bei öffentlichen Entscheidungen bringen würden, werden dem Bürger von der CDU verweigert. Es freut uns, dass bei allen anderen befragten Parteien das beschriebene Gesetzesvorhaben als zweckdienlich und notwendig gesehen wird. In Bezug auf die FDP bleibt allerdings abzuwarten, ob sie der Ankündigung auch Taten folgen lässt und ein Informationsfreiheitsgesetz in der Umsetzung aktiv unterstützt. Eingaben der Partei Bündnis90/die Grünen wurden von ihr wie von der CDU im Landtag zurückgewiesen.

Karenzzeit von drei Jahren / Ethikräte

Zentral für Transparency Deutschland ist die Forderung von gesetzlich geregelten Karenzzeiten von drei Jahren für Mitglieder von Bundes- und Landesregierungen. Diese Übergangszeiten sollen nach Ausscheiden aus dem Amt gelten, wenn zwischen im Amt getroffenen Entscheidungen und der neuen Tätigkeit inhaltliche Zusammenhänge hergestellt werden könnten. Es soll so ein direkter Übergang vom Amt in eine Lobbytätigkeit gemäß dem Drehtürprinzip vermieden werden. Nach dem Ausscheiden aus dem Amt sollen nach Transparency Deutschland alle Tätigkeiten von Ethikräten begutachtet und dahingehend beurteilt werden, ob dadurch dienstliche Interessen beeinträchtigt werden und sie deshalb gegebenenfalls untersagt werden sollten.

Diese zentralen Forderungen werden von allen Parteien - außer der FDP und einschränkend durch die CDU - befürwortet. Die CDU problematisiert die Einführung von Ethikräten, möchte sich einer Diskussion allerdings auch nicht grundsätzlich verschließen. Karenzzeiten in Kombination mit Ethikräten als Kontrolle werden von der FDP mit der Begründung abgelehnt, dass so angeblich eher Probleme geschaffen als gelöst würden. Die FDP möchte neben der Beurteilung durch die Öffentlichkeit die Entscheidung dem jeweiligen "Empfinden eines Politikers", „was guter Stil ist" anheimstellen und sich auf diese Weise einer institutionellen Kontrolle entziehen.

Offenlegungspflichten im Abgeordnetengesetz und Lobbyregister auf Landesebene

Die Offenlegungs- und Veröffentlichungspflichten für Abgeordnete des Landtags in Baden-Württemberg hinken hinter denen des Bundestages her. Transparency Deutschland fordert deshalb nicht nur die berufliche Tätigkeit von Abgeordneten zu veröffentlichen, sondern auch sog. „Nebentätigkeiten“ (z.B. Gutachten, Vorträge). In Baden-Württemberg müssen letztere nur dem Präsidenten angezeigt werden, der Bundestag veröffentlicht die Höhe der Einkünfte aus Nebentätigkeiten zumindest in einem dreistufigen System. Für die Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Entscheidungsfindung im Landtag ist es zudem aus unserer Sicht unabdingbar, ein verpflichtendes, öffentlich einsehbares Lobbyistenregister einzuführen.

Leider ist die FDP aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen gegen ein Lobbyistenregister und hält die bestehenden Regelungen zur Offenlegung der beruflichen Verhältnisse der Abgeordneten für ausreichend. Die CDU ist grundsätzlich offen für ein Lobbyistenregister, allerdings gilt es aus ihrer Sicht die Interessenvertretung als Kernelement der demokratischen Idee zu gewährleisten. Auch die Offenlegungspflichten für Abgeordnete sollte nach Angabe der CDU gesetzlich festgelegt werden. Auch für die SPD ist dies erstrebenswert, allerdings müssen für beide Volksparteien der Status des freien Mandats und die Berufsfreiheit der Abgeordneten gegeben sein. Das Lobbyistenregister wird von der SPD und den Grünen gleichermaßen befürwortet. Die Grünen und die Piratenpartei fordern zudem eine Offenlegung von sämtlichen Nebentätigkeiten von Abgeordneten. Aus Sicht der Piratenpartei ist es zudem wichtig, die Höhe und Herkunft aller Einnahmen in vollem Umfang zu veröffentlichen, um unlautere Einflussnahme zu verhindern. Zudem schlägt die Piratenpartei vor, ein öffentliches Korruptionsregister zu etablieren, in das einmal auffällig gewordene Firmen eingetragen werden. Wir sehen mit Sorge, dass die Regierungsparteien, wenn überhaupt, nur sehr zögerlich die Idee eines Lobbyregisters und einer klaren Veröffentlichungspflicht von Nebentätigkeiten von Abgeordneten unterstützen. Die kleineren Oppositionsparteien sind hier aus unserer Sicht viel stärker an einer transparenten und für die Öffentlichkeit nachvollziehbaren Form der Entscheidungsfindung interessiert.
  

Personelle Verbesserung bei Behörden

Durch den Personalabbau bei Polizei, Justiz und Finanzbehörden wird es schwieriger, Korruption und Steuerkriminalität zu bekämpfen. Transparency Deutschland setzt sich deshalb für eine eindeutige Verbesserung der Personalsituation der Behörden ein. Die befragten Parteien sind sich einig, dass ein zusätzlicher Stellenabbau zumindest bei der Betriebsprüfung und Steuerfahndung nicht in Frage kommt. Die Regierungskoalition aus FDP und CDU bleibt allerdings - was zusätzliche Kapazitäten für die nächste Legislaturperiode angeht – vage und lobt eher die bisherige Personalpolitik. Die Opposition, insbesondere die SPD und die Piratenpartei, sieht Handlungsbedarf bei der Stärkung der Schwerpunktstaatsanwaltschaften und will mehr Personal in der Steuerfahndung.

Wir begrüßen diese Forderung, die allerdings kein Wahlversprechen bleiben darf, sondern auch umgesetzt werden muss. Für eine funktionierende Verfolgung von Korruption und Betrug müssen die Behörden personell besser ausgestattet werden!

Den Fragebogen sowie die Antwortschreiben der Parteien finden Sie hier

Kontakt

Nicole Perez, Leiterin der Regionalgruppe Baden-Württemberg
Dr. Christian Humborg, Geschäftsführer
Transparency International Deutschland e.V.
Tel.: 030/ 54 98 98 0