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Rezension

Albrecht Müller: Machtwahn – Wie eine mittelmäßige Führungselite uns zugrunde richtet

Droemer Verlag 2006 978-3-426-27386-9 364 Seiten, 19,90 Euro

Bei Titel und Untertitel des Werkes könnte gefragt werden, inwieweit dieses Buch für die Antikorruptionsbewegung relevant ist. Als solches ist es relevant, denn der Autor Albrecht Müller hat sich auch zum Ziel gesetzt, „die Interessengeflechte zu beschreiben, in denen unsere Eliten stehen und die aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Entscheidungen beeinflussen“. Interessenverflechtungen und –konflikte haben in den letzten Jahren in der Antikorruptionsdebatte spürbar an Bedeutung gewonnen. Albrecht Müller ist ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter und Herausgeber der Website www.nachdenkseiten.de. Zunächst wendet sich der Autor den „Eliten“ zu. Diesen unterstellt er eine ausgeprägte Homogenität in Ansichten und Entscheidungen. Er zeichnet von der wirtschaftlichen Lage in Deutschland ein düsteres Bild und macht hierfür insbesondere die „neoliberalen Eliten“ verantwortlich. Immerhin konkretisiert der Autor auf Seite 170 seinen Elitenbegriff durch eine Liste der Personen, die in Deutschland „an der Spitze“ stünden: Köhler, Merkel, Ackermann, Kannegießer, Hundt, Thumann, Rogowski, Aust, Steingart, Springer, Döpfner, Kluge, Berger, Rürup ... Müntefering, Stoiber, Platzeck, Merz, Westerwelle und so weiter. Bei der Lektüre dieser Liste kann der Eindruck verschwörungstheoretischer Anwandlungen nicht vermieden werden.

Auf Seite 121 wird erstmals eine möglicherweise anrüchige Interessenkollision konkret dargestellt. Demnach sei die Vorlage für den Entwurf des „Gesetzes über Öffentlich- Rechtliche Partnerschaften“, das die Veräußerung öffentlicher Immobilien an Privatleute neu regelt, durch eine USamerikanische Anwaltssozietät und nicht durch Ministerialbeamte erstellt worden. Als weiterer Fall wird die Mitgliedschaft von McKinsey in der damaligen Hartz-Kommission angeführt. Diese Beispiele können konkrete Antworten auf die zentrale Frage geben: „Gibt es politische Entscheidungen, die von privaten Interessen beeinflusst und auf irgendeine Art und Weise honoriert werden?“ (S. 263). Die letzten 100 Seiten des Buches entwickeln folgerichtig den relativ größten Charme, indem an vielen weiteren Beispielen Interessenverflechtungen dargestellt werden, gerade auch im Hinblick auf die Medien. Neue Fakten, beispielsweise zu den wenig durchsichtigen Aktivitäten der durch die Metall- und Arbeitgeberverbände finanzierte sogenannte „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“, die von fragwürdigen Medienkooperationen bis zum Themenplacement in der Vorabendserie „Marienhof“ reichen, bietet der Autor dabei nicht. Trotz einer höchst undifferenzierten Elitenschelte und fehlender neuer konkreter Beispiele bei Interessenverflechtungen ist dem Autor in seinen Schlussfolgerungen zuzustimmen: „Verlangen wir Transparenz über Beraterverträge, Aufsichtsratsposten, Ver- und Begünstigungen unserer Politiker, unserer Abgeordneten, unserer Beamten und unserer Journalisten“ (S. 344f.).

Christian Humborg

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