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Rezension

Anne T.: Die Gier war grenzenlos. Eine deutsche Börsenhändlerin packt aus

Ullstein 2009. ISBN 978-3-430-20082-0. 240 Seiten. 18,50 Euro

In Zeiten der Finanzmarktkrise wird darüber debattiert, inwieweit Korruption zu den Ursachen der Krise zählt. Dazu lohnt es sich, diesen Insiderbericht einer Börsenhändlerin über ihren irrsinnigen Alltag zu lesen. Das Wort Korruption kommt nur an einer einzigen Stelle im Buch vor: „Über Korruption hatte damals noch keiner nachgedacht“ (S. 183). Gleichwohl zeigen sich viele Verhaltensbeispiele, die das Etikett möglicherweise verdienen. Die anonyme Autorin beschreibt, wie gezielt intransparente, komplizierte Finanzprodukte geschaffen wurden und diese brutal in den Markt gedrückt wurden. Die „lammfrommen Opfer“ (S. 137) waren die Kleinanleger. Die Motivation der Architekten dieser strukturierten Produkte war klar: „Unsere Boni waren gerettet – und eigentlich die ganze Branche gleich mit“ (S. 79). Sie beschreibt, wie Portfoliomanager zu teuren Events, etwa Formel Eins-Rennen, eingeladen wurden und am Ende der Deal besiegelt werden konnte. In einem Fall ist das Gegenüber ein Priester, der das Vermögen seiner Kirche verwaltet, und für den das Adlon als Gesprächsort gezielt ausgewählt wurde, denn man ging davon aus, dass er dort noch nie gegessen hätte. Eindrücklich beschreibt sie, wie nicht nur Kleinanleger, sondern ganze Banken geleimt wurden, weil sie die Produkte nicht verstanden beziehungsweise überhaupt nicht darauf vorbereitet waren, mit den Risiken umzugehen. Dafür waren die Steuerparadiese wie Cayman Islands oder Jersey wichtig, damit Risiken nicht mehr nachvollziehbar wurden. In einem Fall beschreibt sie, wie kritische Nachfragen durch Druck von oben zum Verstummen gebracht wurden. Auch an den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften lässt sie kein gutes Haar: „Die Beratungsarmee der große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erstellten gegen entsprechende Gebühren nur zu gern Gutachten für uns“ (S. 199). Die Autorin wirft einen kritischen Blick zurück und fragt sich, warum sie selbst so lange an vorderster Front mitgemacht hat. Ihre Antwort: „Wir hatten Aussichten auf immense Gewinne, Bonuszahlungen, ohne die Konsequenzen unseres Handelns tragen zu müssen“ (S. 218). Das Buch ist sehr locker und kurzweilig geschrieben und gibt gleichzeitig einen sehr guten Einblick in die Alltagswelt von Börsenhändlern. Es wird deutlich, dass legale Aktivitäten nicht immer auch legitim sind. Insgesamt: Sehr lesenswert.

Christian Humborg

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