Publikationen
Rezension

Bernard Lietaer et al.: Money and Sustainability – The Missing Link

Axminster: Triarchy Press, 2012; ISBN 978-1-908009-7-77, 209 Seiten, 20,00 Euro.

Endlich wieder ein Buch, das zum Nachdenken anregt, unser ökonomisches Paradigma in Frage stellt und damit verunsichert – damit für mich ein gutes Sachbuch.

Die Autoren, namhafte Wissenschaftler/-innen im Auftrag des „Club of Rome“, teilen die Überzeugung, dass unser Finanzsystem ein nachhaltiges Wirtschaften – im Sinne, dass die Handlungs- und Wahlmöglichkeiten künftiger Generationen erhalten bleiben – nicht ermöglicht: es agiert pro-zyklisch, fördert kurzfristiges Denken, erfordert stetiges Wachstum, führt zu Konzentration von Vermögen und reduziert soziales Kapital.

Nach für Laien nachvollziehbaren theoretischen Ausführungen gelangen die Autoren zu der Schlussfolgerung, dass unser Finanzsystem mehr Widerstandskraft benötigt. Das Finanzsystem als komplexes System sei dann stabil, wenn ein Gleichgewicht zwischen Effizienz und Widerstandsfähigkeit herrscht. Unser Finanzsystem ist sehr effizient, aber sehr anfällig, was zahlreiche Bankkrisen und monetäre Krisen belegen.

Um die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen und die Handlungsfähigkeit öffentlicher Einheiten zu erhalten, befürworten die Autoren die verstärkte Einführung und Förderung von Parallelwährungen in Ergänzung zur Hauptwährung. Um das Prinzip zu verstehen, sei auf die Lufthansa-Meilen verwiesen, die über Flüge erworben und als Zahlungsmittel für Güter und Dienstleistungen verwendet werden können.

Wichtig ist den Autoren demgegenüber vor allem die soziale Komponente. Ein Beispiel hier sind sogenannte "civics". Anstatt dass Kommunen soziale Projekte durch Steuern oder Schulden finanzieren, könnten sie beschließen, dass jeder dazu fähige Bürger Arbeitsleistungen erbringt, die in "civics" bezahlt werden. "Civics" werden dann als Lokalwährung akzeptiert, deren Wert im Verhältnis zur Hauptwährung nicht festgelegt wird.

Es ergeben sich natürlich ein Haufen Umsetzungsfragen, auf die das Buch teilweise eingeht und durch empirische Aussagen untermauert. Die Darstellung der Erfahrungen mit bestehenden Parallelwährungen kommt insgesamt etwas zu kurz, ist aber explizit kein Schwerpunkt des Buches.

Dass es sich nicht um Hirngespinste verschrobener Wissenschaftler handelt, zeigt der Vorschlag des Chefvolkswirts der deutschen Bank im Dezember 2012, in Griechenland den "GEURO" als Parallelwährung einzuführen.

Das Buch behandelt komplexe Sachverhalte, ist aber gut lesbar geschrieben. Zum Reinschnuppern eignet sich die Website www.money-sustainability.net mit Hintergrundinformationen und einer Diskussionsplattform. Das Buch ist eine sehr lohnende Lektüre, die zum Nachdenken und zu vielen Aber-Fragen einlädt. Ich freue mich auf weitere Entwicklungen in diesem spannenden Bereich.

Stefan Calvi

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