Publikationen
Rezension

Birger P. Priddat und Michael Schmid: Korruption als Ordnung zweiter Art

VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-17593-5, 238 S., 29,95 Euro.

Der Herausgeberband versammelt acht Beiträge von Soziologen/-innen und Ökonomen/-innen. Korruption wird als ein Ordnungssystem zweiter Art verstanden, weil Ordnungssysteme erster Art, beispielsweise Rechtssysteme, nicht vorhanden sind oder nicht funktionieren. Die Beiträge sind von weitgefächerter Herkunft: Aus handlungstheoretischer Perspektive, aus der Netzwerktheorie in der Figur des Parasiten, als Second-life-economy, aus Mafia, Warlords und Terror-Organisationen, gefolgt von einem Blick auf Mafia-Organisationen in Italien, auf die organisierte Kriminalität der Geheimbünde Yakuza in Japan und einer Analyse von Korruption in Kenia. Da das Thema Korruption „in“ ist, wie in der Einleitung erwähnt wird, wurde wohl der Titel entsprechend gewählt – auch wenn der Bezug zu Korruption nicht in allen Beiträgen durchgängig erkennbar ist. Hin und wieder wird ein kleines Kapitel „Korruption“ eingefügt, so als ob die schon bereits fertig gestellten Beiträge noch nachträglich auf den Buchtitel angepasst werden mussten. Manche der Beiträge sind außerordentlich schwer zu lesen und ohne den Autoren zu nahe treten zu wollen, fragt sich der Rezensent, ob der Stil notwendig ist, weil das Thema es erfordert. Oder einfach, weil allgemein geteiltes Wissen lieber nicht als solches benannt werden soll, da es der (soziologischen) Wissenschaftlichkeit vermeintlich abträglich ist. Ein Beispiel: „Deutet man die Beziehungen zwischen den Akteuren bei korrupten Transaktionen unter Einbeziehung der Sozialkapitaltheorie, dann wird klar, dass zwar die Binnenwirkung für die Beteiligten angenehm und vorteilhaft, die Außenwirkung allerdings für die übrigen nachteilig ist“ (S. 17). Das wussten wir bereits, übrigens auch, ohne die Sozialkapitaltheorie bemühen zu müssen. Wir wussten auch, dass Korruption besonders dort blüht, wo die Sicherheit wirtschaftlicher Transaktionen durch die Gesetzgebung und die Rechtssprechung nicht abgesichert ist, daher Korruption als eine Ordnung zweiter Art auf den Plan tritt (Beitrag M. Schmid). Der Buchrücken spricht davon, dass verschiedene Theoriezugänge „ventiliert“ werden: Ventilieren bedeutet entweder sorgfältig erwägen, prüfen, eingehend erörtern, von allen Seiten betrachten oder einfach nur „lüften“: Im Sinne der letzteren Wortbedeutung frage ich mich schon, mit welcher Luft hier gelüftet wird.

Andreas Novak

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