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Rezension

Birger Priddat: Politik unter Einfluss. Netzwerke, Öffentlichkeiten, Beratungen, Lobby

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009, 235 Seiten, ISBN 978-3-531-16449-6, 34,90 Euro.

Ein Buch, knapp über zweihundert eng bedruckte Seiten stark, mit siebzehn Seiten Literaturverzeichnis, ist keine vergnügungssteuerpflichtige Angelegenheit: die Lektüre ist echte Arbeit. Der Autor Birger Priddat, seines Zeichens Präsident der Universität Witten/ Herdecke und dort zugleich Professor für Politische Ökonomie im Studium Fundamentale, hat sich sehr angestrengt, den umfangreichen Stoff so lesbar wie möglich zu präsentieren. Er geht systematisch vor, formuliert prägnant seine Definitionen und bettet sie durch umfangreiche Literaturverweise ein in den aktuellen Stand der politikwissenschaftlichen Diskussion. Das ist verdienstvoll, insbesondere für angehende Politologen.
Es geht Priddat darum zu systematisieren, wie sich der Einfluss auf die Politik, der durch die Interessenverbände in Deutschland schon immer stark war, inzwischen durch Netzwerke und verzahnte Öffentlichkeiten weiter aufgefächert hat; Netzwerktheorien haben Vorstellungen komplexer governance-Strukturen bewirkt, und die Politikberatung hat sich als professionelle Hilfe für Parlament und Regierung etabliert, um diese Strukturen nutzen zu können. Die Medien spielen eine entscheidende Rolle in der politischen Kommunikation zwischen Wählern, Gewählten und Interessenvertretern (stakeholders). Die schwächste Position zur Durchsetzung ihrer politischen Vorstellungen hat die Wählerschaft.
Interessant ist Priddats Unterscheidung zwischen Beratung und Interessenvertretung einerseits und Lobbyismus andererseits: „Lobby ist eine legitime, aber intransparente Interessenvertretung, gleichsam ihre verdeckte Form...“ Sie „geschieht für die Bürger unsichtbar. Das ist demokratietheoretisch unklar: was nicht beobachtet werden kann, kann auch nicht kontrolliert werden – weder durch die Bürger unmittelbar noch durch die Öffentlichkeit“ (S. 64 f.)
Aus dem traditionellen Lobbying hat sich inzwischen das Public Affairs Management entwickelt. Da ist eine Beobachtung des Autors von besonderem Interesse: „In Brüssel steht die Vermittlung von Informationen im Mittelpunkt, in Berlin die persönlichen Kontakte“ (S.187). Denn damit tun sich (Kapitel 10) „Schwarze Löcher der Verantwortung“ auf: „Korruption als illegaler Einfluss an der Schnittstelle Politik / Verwaltung / Wirtschaft“ (S. 155ff). Priddats Urteil ist klar: „Wer sich auf Korruption einlässt, lässt sich eher auf labile Charaktere ein, deren Karriere man nicht unbedingt fördern will“... „Wenn Public Affairs gut läuft, braucht man keine Korruption. Unternehmen, die korrupt arbeiten, haben oft selbst Markt- und Führungsprobleme“ (S.206).
Priddats knapper Schlussfolgerung, dass gutes Public Affairs Management in die Politik jene Nachhaltigkeit bringen könnte, die das gebrochene Wissen der Politiker selbst nicht zu bewirken vermag, folgt man ungern. Denn wir wählen doch nicht die bezahlten Agenten von Interessengruppen, sondern – zumindest in der Theorie - unabhängige Repräsentantinnen und Repräsentanten des Volkes. Deren Wissen und Qualität sollte sich verbessern, die Parteien als die legitimen Mittlerorganisationen sind gefordert.

Anke Martiny

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