Publikationen
Rezension

Byung-Chul Han: Transparenzgesellschaft

Berlin: Matthes und Seitz 2012, ISBN 978-3-88221-595-3, 91 Seiten. 10 Euro

Das schmale Bändchen untersucht die Frage, ob die Allerweltsforderung nach mehr Transparenz bereits in eine Transparenzgesellschaft geführt habe und ob dies gut oder eher schlecht sei. Der Autor Byung-Chul Han ist Professor für Philosophie und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Neun Kapitel folgen aufeinander: Transparenzgesellschaft – Ausstellungsgesellschaft – Evidenzgesellschaft – Pornogesellschaft – Beschleunigungsgesellschaft – Intimgesellschaft – Informationsgesellschaft – Enthüllungsgesellschaft – Kontrollgesellschaft, wobei man sich vorstellen kann, dass bei knapp neunzig Seiten Text im Quartheftformat eine scharfe terminologische Abgrenzung nicht der Sinn der Ausführungen sein kann. Es geht Han vielmehr um Denkanstöße in einer bestimmten Richtung. Er denkt von verschiedenen Ausgangspunkten aus immer wieder dahin, dass Transparenz ein systemischer Zwang sein kann, der eine gleichgeschaltete Gesellschaft zur Folge hat. Völlige Transparenz führt zu totaler Preisgabe der Privat- und Intimsphäre, zum Abschleifen alles Fremden und Unangepassten und vernichtet Distanz und Scham. Sein Stil ist eher behauptend als ableitend und fordert daher an vielen Stellen Widerspruch heraus. Der Autor bemerkt, dass die Piratenpartei mit ihrer Forderung nach Transparenz die erste Partei in Deutschland ist, der keine Farbe zugeordnet werden kann, denn Transparenz hat keine Farbe: liquid democracy kennzeichne eine farblose Meinungspartei. Die Partei habe offenbar noch nicht bemerkt, dass ein Zwang zur Transparenz das vorhandene System stabilisiere. Das muss ja nicht so bleiben. Es ist durchaus denkbar, dass diejenigen, die mehr Transparenz einfordern, dies vor allem in der Erkenntnis tun, dass intransparente Machtausübung asymmetrische Beziehungen zementiert und damit das Vertrauen der Menschen in das politische Handeln der Regierung untergräbt. Denen gehört die Sympathie des Philosophen allerdings nicht, sondern er warnt eher: schon bei Rousseau ließe sich „beobachten, dass die Moral totaler Transparenz notwendig in Tyrannei umschlägt“ (S.72).

Anke Martiny