Publikationen
Rezension

Cornelia Stolze: Vergiss Alzheimer. Die Wahrheit über eine Krankheit, die keine ist.

Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011, 245 Seiten, 18,99 Euro

Alzheimer – eine erfundene Krankheit! Diese gewagte These stellt Cornelia Stolze ihrem Buch „Vergiss Alzheimer“ voran. Alzheimer sei, so die Autorin, lediglich ein „Konstrukt“ mit dem sich „wirkungsvoll Forschungsmittel mobilisieren“ und „riesige Märkte für Medikamente und diagnostische Verfahren schaffen“ ließen (S. 7). Wirklich nachweisen lasse sich Alzheimer nämlich nicht. Tatsächlich litten jene Patienten, bei denen die Alzheimer-Krankheit diagnostiziert wurde, an ganz unterschiedlichen Krankheiten: Nicht selten an einer der verschiedenen Demenz-Arten, oftmals aber auch an unerkannten Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit oder Depressionen. Das Tragische jedoch sei, so Stolze, dass diesen Patienten oft die gleichen teuren Alzheimer-Medikamente verschrieben würden. Diese linderten ihr Leiden häufig nicht, sondern verschlimmerten es gar.
Nicht zuletzt durch die mediale Aufmerksamkeit, die die Krankheit in den letzten Jahren erfuhr, fürchten viele Menschen, an Alzheimer zu erkranken. An dieser Angst verdienen Pharmaunternehmen ebenso wie Ärzteschaft und Wissenschaftler Milliarden-Summen. Einige von ihnen bezeichnet Stolze schlicht als „das Kartell“: scheinbar gemeinnützige Alzheimer-Gesellschaften, die die Aufmerksamkeit für die Krankheit erhöhen sollen, hinter denen Pharmaunternehmen stehen, oder Ärzte, die sinnlose Früherkennungstests anbieten. In einer detaillierten Auflistung zählt die Autorin die Verbindungen jener führenden Wissenschaftler zur Industrie auf, die an der maßgebenden „S3Richtlinie Demenzen“ mitgewirkt haben. Pikant daran: Im Vorfeld der Richtlinien-Erstellung waren die Wissenschaftler aufgefordert, mögliche Interessenkonflikte zu deklarieren. Keiner der fast 70 Experten legte diese offen. Das prangert Stolze zu Recht an und nennt dabei schonungslos Namen.
Ob es Alzheimer nun gibt, diese Frage ist auch nach Lektüre des Buches nicht endgültig beantwortet. Stolze versteht es aber, ihre Leser für dieses schwierige Thema zu sensibilisieren und fordert sie auf, die Rolle von Ärzteschaft, Forschung und Pharmaindustrie kritisch zu hinterfragen – und nicht alles zu glauben. Ein auch für Laien lesenswertes und kurzweiliges Sachbuch!

(Tilman Höffken)

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers / der Verfasserin wieder.