Publikationen
Rezension

Dennis Bock: "Criminal Compliance"

Nomos, Baden-Baden, 2011, 827 Seiten, S. 169 Euro

Auf über 800 Seiten setzt sich Dennis Bock mit „Criminal Compliance“ auseinander. Es handelt sich um seine Habilitationsschrift an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel. Dennis Bock wurde in Kiel promoviert, hat sich dort habilitiert und ist dort jetzt Strafrechtsprofessor.Der Lektüre des Buches ist es nicht förderlich, dass es keine Einleitung gibt und damit auch keine einordnende Beschreibung der Struktur des Buches. Einzig der Untertitel der Arbeit „Strafrechtlich gebotene Aufsicht in Unternehmen - zugleich ein Beitrag zu den Grenzen strafrechtlicher Steuerung der Unternehmensführung“ verrät etwas von der Zielsetzung des Autors. Bock definiert „Criminal Compliance“ als „Befolgung aller strafrechtlichen Pflichten“ (S. 21). Dabei zählt er das Ordnungswidrigkeitenrecht zum Strafrecht im weiteren Sinne. Die Norm des § 130 OWiG, in dem die Aufsichtspflicht im Unternehmen geregelt wird, nimmt daher auch eine zentrale Rolle ein.Der gesamte erste Teil des fünfteiligen Buches liest sich als Streitschrift, das Strafrecht nicht zu überfrachten, nicht zu viel von diesem Instrument zu erwarten und vor allem, das Instrument sehr vorsichtig einzusetzen und im Hinblick auf Unternehmen und ihre Aufsicht am besten lieber fast gar nicht. Der Autor kritisiert, wenn Strafrecht zur Verhaltensänderung eingesetzt würde (S. 139). Er geißelt Compliance-Pflichten als „investitions- und damit innovationshemmend“ (S. 236). Verwundert reibt man sich die Augen, wenn es um das Thema Korruption geht: „Geldwerte Leistungen an Amtsträger sind erstens üblich und zweitens betriebswirtschaftlich rational“ (S. 165). Bei der Lektüre hofft man inständig, dass die vorgetragenen Gedanken nicht die herrschende Meinung der Strafrechtslehre in Deutschland wiedergeben.Gegen Ende des zweiten Teils wird die Frage erörtert, ob ein Verbandsstrafrecht in Deutschland eingeführt werden soll. Wenig überraschend sieht der Autor dies kritisch. Gleichwohl konzediert er, dass nach herrschender Meinung die dogmatischen Einwände für überwindbar gehalten werden. Er verweist darauf, dass die Verbandsstrafe dem deutschen Recht nicht fremd sei und es bei Friedrich II die kollektive Verantwortlichkeit von Städten und Gemeinden gegeben habe.Für Praktiker ist der vierte Teil am ergiebigsten, da hier die Bausteine der Implementierung hinreichender Criminal Compliance erläutert werden. Es überrascht, die Anforderungen an Compliance-Abteilung und Compliance Officer erst im letzten Abschnitt dieses Teils zu finden. Bock verweist auf die „Inpflichtnahme des Gesetzgebers, dessen Aufgabe es ist, die vagen rechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unternehmensaufsicht entweder operabel zu machen oder unterlassene Aufsicht zu entkriminalisieren“ (S. 583). Da Letzteres keine wirkliche Alternative ist, zeigt sich einmal mehr, dass Mindeststandards für den Aufbau von Compliancemanagementsystemen vorzugeben sind, die allen Rechtsformen der Wirtschaft angepasst sind.Wer nicht das ganze Buch lesen will, kann sich auf den fünften Teil konzentrieren. Darin werden die Ergebnisse auf 29 Seiten zusammengefasst, und der Autor macht aus seinen rechtspolitischen Grundüberzeugungen auch hier keinen Hehl: „Das (Wirtschafts)Strafrecht lässt nicht die Großen laufen und hängt die Kleinen. Unklar ist schon, wann man ein ‚Kleiner‘, wann ein ‚Großer‘ ist. Gegenteilige Äußerungen im Schrifttum sind oft sozialkritisch motiviert, wenn nicht teilweise sogar von antikapitalistischen Ressentiments angetrieben“ (S. 766).

(Christian Humborg)

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