Publikationen
Rezension

Erklärung von Bern (Hg.): Rohstoff. Das gefährlichste Geschäft der Schweiz.

Salis, Zürich/Berlin 2011, 440 Seiten, 24,90 Euro

Rohstoffe sind das Blut in den Adern der Industrie, sie werden aber auch nicht selten mit Blut gefördert. Die schweizerische Nichtregierungsorganisation Erklärung von Bern legt ein gut recherchiertes, mit knapp 400 Seiten umfangreiches Buch vor, das sich mit Rohstoffhandel und Beteiligungen am Rohstoffabbau von Unternehmen mit Sitz in der Schweiz beschäftigt. Schon die finanziellen Dimensionen der vergleichsweise unbekannten Unternehmen sind schwindelerregend: So wird beispielsweise Glencore einen geschätzten Reingewinn von 10 Milliarden US-Dollar ausweisen und der Börsengang in 2011 soll den Top Six seiner Anteilseigner 23 Milliarden US Dollar in die Kasse gespült haben (S. 158). Darüber hinaus besitzt das Unternehmen bei einigen Metallen wie Kupfer und Zink mit 50 beziehungsweise 60 Prozent Anteilen am freien Rohstoffmarkt eine marktbeherrschende Stellung. Würde Glencore das Blut in den Adern absperren, kämen große Teile der weltweiten Industrie zum Stillstand.
„Der Rohstoffhandel funktioniert dank Korruption: ‚Es geht immer um den Kauf politischer Gunst‘“, bekennt ein Insider (S. 302).  
Bekanntlich sind viele Länder mit Rohstoffreichtum nicht gerade reich an demokratischen Strukturen und transparenter Verwaltung. Die potenziell reichen Länder sind meist, was den Lebensstandard der breiten Bevölkerung angeht, arme bis sehr arme Länder. Dieser Rohstofffluch, auch Paradox of Plenty (S. 342) genannt, ist der Aufteilung der Rohstofferträge zwischen den Staaten und den Rohstoffkonzernen geschuldet, aber auch der Verteilung der erwirtschafteten Geldern in den Ländern selbst. Da die Margen im Rohstoffhandel sinken, steigen ursprüngliche Rohstoffhändler in die Produktion ein, in Ländern wie beispielsweise dem Kongo, Kolumbien, Kasachstan und Äquatorialguinea.
Die Herausgeber legen ein wunderschön gestaltetes Buch vor, das sich von den erschreckenden Inhalten so parado Xabhebt wie das Paradox of Plenty. Es behandelt neben den schweizerischen Keyplayern viele Aspekte des Rohstoffhandels und der Rohstoffproduktion, der Steuervermeidung durch Bilanzierungstricks, manipulierter Verrechnungspreise und Gewinnverlagerungen in intransparenten weltweit angesiedelten Holdingstrukturen. Der Untertitel “Das gefährlichste Geschäft der Schweiz” soll als Weckruf der Bewohner dieses kleinen Landes und seiner politischen Verantwortlichen wirken, ein Regulierungsvakuum zu beenden, um nicht ein weiteres Mal „zum Paria der Weltgemeinschaft“ zu werden (S. 396).

(Andreas Novak)

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