Publikationen
Rezension

Freudenreich, Josef-Ott (Hg.): "Wir können alles." Filz, Korruption & Kumpanei im Musterländle

Klöpfer&Meyer Verlag, 2./2008 ISBN 978-3-940086-12-9, EUR 19,90

Das Buch bedient eine Lesergruppe, die sich aufs Neue bestätigen lassen will, wie schlimm es doch um Anstand und Moral in Deutschland steht und im Speziellen, dass auch Staat und Gesellschaft in Baden-Württemberg hiervon keine Ausnahme machen.

Die Autoren, allesamt erfahrene Journalisten aus dem Südwesten, bringen ihre Recherchen und persönlichen Erfahrungen zu Papier über Politiker, Beamte, Richter, Unternehmer aus dem Land, wobei sie teilweise weit in die Nachkriegsgeschichte zurückgehen. Im munteren Plauderstil der Feuilletonisten entsteht das Bild einer Gesellschaft, die so ist, wie sie ist, weil es überall menschelt. Die Autoren hatten wohl die Idee, Unschönes zu sammeln und unterhaltsam zu präsentieren - und dabei zu zeigen, dass sie mit Worten umzugehen wissen. So gesehen ist das Buch ein Erfolg. "Die Viererbande war beseelt von den Gedankenflügen. Und von sich." Und das merkt man.

Für kritische Geister ist das Buch allerdings weniger geeignet. Wer Enthüllungs-Journalismus erwartet, wird enttäuscht; beschrieben wird nur, was schon lange bekannt ist. Der gewollt amüsante Stil zeigt seine negative Seite: die Beiträge plätschern dahin, wenig Tiefgang. Es wird weder differenziert noch gewichtet: Unkorrektes Verhalten wird in einem Atemzug neben kriminellem Verhalten genannt. Parteiinterne Kungeleien oder trickreiches Verhalten zu Lasten anderer stehen neben strafrechtlich relevantem Handeln. Gelegentlich wird von einem "System" gesprochen, ohne zu erklären, auf welchen Grundlagen denn dieses System aufgebaut sein soll, oder wie es aus der Sicht der Autoren funktioniert. Es wird nicht gefragt, ob die herausgegriffenen Beispiele Symptome, Trends oder Ergebnisse unserer Gesellschaft sind. Es wird nicht untersucht, ob denn für das "Musterländle", Besonderheiten gegenüber anderen Körperschaften gelten. Es findet kein Vergleich, keine Analyse, keine Bewertung statt, es werden keine Alternativen, keine Perspektiven aufgezeigt. Schade!

Peter Hammacher    

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