Publikationen
Rezension

Georg Cremer: "Korruption begrenzen. Praxisfeld Entwicklungspolitik."

Freiburg/Br.: Lambertus, 2000, 180 Seiten.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die einzige internationale NGO, die in Deutschland ihren Hauptsitz hat, sich ausgerechnet mit Korruption auseinandersetzt. Schließlich hat im europäischen Vergleich die deutsche Entwicklungspolitik die Korruptionsproblematik zunächst bewusst ignoriert, dann nur mit einigem Zögern auf die Tagesordnung gesetzt. Insofern kommt die von Georg Kremer veröffentlichte Handlungsanweisung zum Umgang mit Korruption in der Entwicklungspolitik keineswegs zu spät. "Korruption begrenzen - Praxisfeld Entwicklungspolitik" gibt einen hervorragend strukturierten, stringent argumentierenden und anschaulich geschriebenen Überblick darüber, inwieweit Korruption entwicklungspolitische Projektarbeit berührt. Mit der Erfahrung des Praktikers geschrieben, schildert Kremer detailliert, inwieweit jeder mit entwicklungspolitischer Praxis Beschäftigte mit Korruption konfrontiert ist.

Besonders verdienstvoll ist dabei zunächst die Auseinandersetzung mit jenen beschönigenden Argumenten, mit denen gerade im Exportland Deutschland Korruption verharmlost wird und die auch in der Entwicklungspolitik bis heute nachwirken - Korruption ist eben nirgendwo "Teil der traditionellen Kultur", noch entfaltet sie segensreiche volkswirtschaftliche Auswirkungen. Dabei vermeidet Kremer jedes Moralisieren; vielmehr gelingt es ihm, Korruption gerade durch die Beschreibung jener fatalen Mechanismen des Nichtwahrhabenwollens verstehbar und erklärbar zu machen, die auch der Entwicklungszusammenarbeit nicht fremd sind. Verdienstvoll ist es auch, sich mit jenen Denk- und Informationsblockaden in der Entwicklungspolitik auseinanderzusetzen, die dazu führen, dass Projekte auch dann als erfolgreich dargestellt und durchgezogen werden müssen, wenn sie längst von Korruption in Frage gestellt sind. So können Mittelabflusszwänge ebenso dazu führen, dass auf Korruptionshinweise keine angemessene Reaktion erfolgt wie die mangelnde Rückendeckung für interne "whistleblowers". Denn, so eine zentrale Aussage Kremers, "solange es proklamierte Linie der Träger ist, dass - aufgrund welcher geheimen Mächte auch immer - ihre eigene Arbeit stets frei von Korruption zu sein hat, ist es für ihre Mitarbeiter nicht opportun, Missbrauchstatbestände zu registrieren und der Leitung zur Kenntnis zu bringen."

Machen eine Checkliste für eine Schwachstellenanalyse das Buch ebenso zu einem wertvollen Ratgeber wie eine ausführliche Würdigung der Anti-Korruptions-Maßnahmen der Weltbank, so zeigen sich eben darin spiegelbildlich die noch bestehenden Defizite bei der Bekämpfung von Korruption in der deutschen Entwicklungspolitik. Was dem übrigens in jenen für den Rezensenten nachprüfbaren Details gründlich recherchierten Buch hingegen fehlt, ist eine Bewertung der Chancen der Entwicklungspolitik, Korruption nicht nur in den eigenen Projekten einzudämmen. Vielmehr muss es einer Politik, die auf "good governance" verpflichtet ist, ja auch gerade darum gehen, durch eine Förderung endogener Reformen in Entwicklungsländern eine strukturell gegen Korruption gerichtete Politik voranzutreiben. Auch hätte man sich gerade bei einem auf Beratung und grundlegende Orientierung zielenden Buch ein Stichwort register gewünscht. Dennoch: Kremers Buch zeigt überzeugend, dass Korruption keines jener entwicklungspolitischen Modethemen sein kann, die sich in rascher Folge auf der politischen Agenda abwechseln, sondern dass Entwicklungspolitik hier vor einer langfristigen Aufgabe steht. Und er sagt, wie man diese Aufgabe anpacken kann.