Publikationen
Rezension

Janina Curbach: Die Corporate-Social-Responsibility-Bewegung

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009, 978-3-531-16519-6, 276 Seiten, 29,90 Euro.

Die Corporate-Social-Responsibility-Bewegung ist im Vormarsch: Immer mehr Unternehmen verpflichten sich dem CSR-Gedanken, führen Codes of Conduct ein, veröffentlichen Nachhaltigkeitsberichte, nehmen an Zertifizierungsverfahren teil, beteiligen sich an CSR-orientierten Initiativen und Vereinigungen. Die als Buch erschienene soziologische Doktorarbeit von Janina Curbach untersucht, welche Prozesse zur Herausbildung von gesellschaftlichen Normen zu Unternehmensverantwortung führen.
Die Autorin zeigt, dass der Begriff des CSR zunehmend ausgeweitet worden ist und heute die dreifache Verantwortung für die ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen von Unternehmensaktivitäten, letztlich für eine nachhaltige Entwicklung, umfasst. Die Unternehmen suchen damit einen ,sozialen Kontrakt' zu erfüllen, der die Erwartungen beinhaltet, die die Gesellschaft an die Unternehmen stellt. Dieser geht über den ,legalen Kontrakt' – das durch Recht und Gesetz Geforderte – hinaus. Der soziale Kontrakt ist vor allem in schwach regulierten Räumen – wie den meisten Entwicklungs- und Schwellenländern – von Bedeutung, da er das Potential hat, mangelnde verbindliche Standards und Durchsetzungsmöglichkeiten wenigstens teilweise zu ersetzen.
Ausführlich beschreibt die Autorin die wichtigsten Etappen des Prozesses, der seit den 70er Jahren zur heutigen Ausprägung und Geltung des CSR-Konzeptes geführt hat; er umfasst grundlegende Publikationen (so „Grenzen des Wachstums“, Brundtland-Bericht), staatliche und nichtstaatliche Initiativen (OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, Weltumweltkonferenzen, UN Global Compact, ISO-Normen, Global Reporting Initiative und andere) sowie Kampagnen von Nichtregierungsorganisationen („Nestlé tötet Babys“, Kampagnen gegen Shell, Nike und Coca-Cola). Die Autorin sieht diesen Prozess vor allem als eine dynamische Auseinandersetzung zwischen internationalen Nichtregierungs- organisationen einerseits und transnationalen Unternehmen andererseits: Aufgrund des Scheiterns von Bestrebungen, Unternehmenshandeln global verbindlich zu regulieren, suchten viele Nichtregierungsorganisationen durch das Aufdecken und kampagneartige Publizieren von Skandalen Unternehmensaktivitäten zu delegitimieren. Die Entwicklung von CSR wird von der Autorin als Reaktion der Unternehmen auf diese Herausforderung gesehen, als den (recht erfolgreichen) Versuch, sich durch Selbstverpflichtungen und freiwillige Standards zu relegitimieren.
Die Bewertung der Autorin ist differenziert. Einerseits sieht sie eine Eigendynamik entstehen, die zu mehr verantwortlichem Verhalten transnationaler Unternehmen, vor allem in der Dritten Welt, führen kann und in vielen Fällen – aber keineswegs flächendeckend – tatsächlich geführt hat. Andererseits glaubt sie, dass die Unternehmen infolge der Freiwilligkeit der Normen bei Zielkonflikten dem Gewinnziel Vorrang vor der gesellschaftlichen Verantwortung geben. Daher plädiert sie für mehr staatlich gestützte Verbindlichkeit, Rechenschaftspflicht und Einklagbarkeit.
Dieses gründlich gearbeitete Buch richtet sich primär an den wissenschaftlich interessierten Leser. Durch seine gute Lesbarkeit und übersichtliche Gestaltung ist es aber auch allen zu empfehlen, die sich einen Überblick über die CSRBewegung verschaffen wollen. Dem mit der Materie bereits vertrauten Leser kann es zur Erhellung der Zusammenhänge und Trends sowie als Nachschlagewerk von Nutzen sein.

(Manfred zur Nieden)

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers / der Verfasserin wieder.