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Rezension

Jeanne Rubner: Brüsseler Spritzen – Korruption, Lobbyismus und die Finanzen der EU

C. H. Beck 2009. ISBN 978-3-406-58452-7. 187 Seiten, 12,95 Euro

Brüssel - das Moloch: Bürokratie, Ineffizienz und Verschwendung...

Wer in diesem Stereotyp bestätigt werden möchte, findet in Jeanne Rubens Buch den Fall der französischen Kommissarin Édith Cresson, die durch Beauftragung ihres befreundeten Zahnarztes die Kommission Santer zu Fall brachte, Kritik am Gemeinschaftshaushalt, der eher Golfplätze als Forschungslabors fördert und konkrete Beispiele, welche Möglichkeiten sich in der ‚Hauptstadt des Lobbyismus’ bieten, um in den Institutionen Interessen nachhaltig zu vertreten.

Mitten in der Glaubwürdigkeitskrise der zuletzt so schnell gewachsenen Gemeinschaft „wird jeder Fall von Misswirtschaft und Betrug sogleich als Beweis herangezogen, dass die EU von Grund auf korrupt ist“, kritisiert Jeanne Rubner (S.19) und erinnert daran: Es sind die Nationalstaaten, die in Brüssel Politik machen. Der Gemeinschaftshaushalt ist auch gerade deswegen so korruptionsanfällig, weil vier fünftel der Mittel durch die Mitgliedsstaaten ausgegeben werden – der hohe Anteil an Subventionen und die geteilte Verantwortlichkeit für die korrekte Ausführung des Haushalts sind dem Missbrauch förderlich. Die Antibetrugsbehörde OLAF, der Kommission direkt unterstellt und in der strafrechtlichen Ermittlung eingeschränkt, erscheint da wie ein Wachhund an der kurzen Leine und die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon für die Einführung des Amtes eines europäischen Staatsanwaltes dringender denn je. Anders als der Kommission fehlt es den Mitgliedsstaaten eher am Interesse als an den Mitteln, den Missbrauch von EU-Geldern aufzuspüren. Nationale Eitelkeiten statt gemeinsamer Strategie prägen das Bild; so z.B. wenn Deutschland die Bekämpfung von Mehrwertsteuerkarussellen auf EU-Ebene behindert.

Die Redakteurin der Süddeutschen Zeitung versucht in „Brüsseler Spritzen“, ein realistisches Bild von Betrug und Korruption in der EU zu zeichnen. Eingängig und kritisch werden im ersten Abschnitt die Finanzen der EU hinsichtlich Herkunft und Verwendung beleuchtet und im zweiten Abschnitt die Akteure – insbesondere der Einfluss von Lobbyisten auf nationale und EU-Institutionen – analysiert. Jeanne Rubens Fazit: „Es ist schon schizophren: EU-Gegner werfen der Gemeinschaft vor, Geld zu verschleudern und korrupt zu sein. Zugleich sind sie es, die eine stärkere Integration – etwa in Form einer besseren Zusammenarbeit der Polizei und Justiz – verhindern“. (S.187)

„Brüsseler Spritzen“ ist für alle, die verstehen möchten, warum das heutige Beziehungsgeflecht zwischen Nationalstaaten und EU-Institutionen Korruption Raum bietet und wie der Missbrauch von Geldern und Ämtern verhindert werden kann, eine beispielsreiche, lesenswerte Lektüre.

Hilke David

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