Publikationen
Rezension

Jens Claussen: Compliance- oder Integrity-Management. Maßnahmen gegen Korruption in Unternehmen.

Metropolis, Marburg 2011, 475 Seiten, 46,80 Euro.

Die Arbeit ist eine im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Kassel absolvierte Dissertation. Empirischer Kern der Arbeit sind Fallstudien in zwölf deutschen Großunternehmen. Argumentativer Angelpunkt ist die aus der wissenschaftlichen Literatur abgeleitete Unterscheidung zwischen Compliance- und Integrity-Maßnahmen. Während erstere den Schwerpunkt auf Regeln, Kontrollen und Sanktionen legen, setzen Integrity-Programme vorrangig auf Werte und Unternehmenskultur. Beide „Orientierungen“ können in identischen oder ähnlichen Instrumenten abgebildet sein.
Claussen leitet normative Empfehlungen aus der ökonomischen, soziodemografischen und organisationssoziologischen Literatur ab. Sie betreffen die zwei Dimensionen „Umfang“ und „Orientierung“ der Maßnahmen (Integrity- oder / und Compliance-Maßnahmen). Durch Operationalisierung dieser Empfehlungen entwickelt Claussen ein Instrument, mit dem die Antikorruptionsprogramme der Unternehmen messbar werden, und zwar

  • die Kodices (Zielsetzung)
  • die Durchsetzung der Ziele (Schulungen, Kommunikation, Hinweisgeber, Kontrollen, Sanktionen, Unternehmenskultur)
  • die Organisation der Antikorruptions-Maßnahmen.

Die notwendigen Informationen gewinnt er aus schriftlichen Unterlagen sowie aus Interviews mit verantwortlichen Führungskräften. Nach einer Rückkoppelung der Texte mit den Unternehmen bewertet Claussen das Maßnahmenpaket und kodiert es auf einer Skala von 1 bis 5.
Claussen findet in allen Unternehmen übereinstimmende Maßnahmen in unterschiedlicher Ausgestaltung. Beim „Umfang“ differiert besonders die Quote Compliance-Mitarbeiter/Gesamtmitarbeiterzahl. Die „Orientierung“ der Maßnahmen liegt nur bei vier Unternehmen im Skalenbereich Integrity, während acht zur Compliance-Orientierung tendieren. Je stärker die Integrity-Orientierung, desto geringer ist der Umfang der Maßnahmen.
Als mögliche Treiber für die stärkere Compliance-Orientierung identifiziert Claussen externe Anforderungen wie etwa gesetzliche Vorgaben aus den USA und Deutschland, frühere Korruptionsfälle oder die Priorität der Folgenminimierung gegenüber der Prävention von Korruption.
Keines der Anitkorruptions-Programme hält Claussen als Vorbild für geeignet, auch deshalb nicht, weil empirische Effizienznachweise fehlen, die allerdings auch nicht Gegenstand dieser Arbeit waren.
Claussens verdienstvolle Dissertation besticht durch ein außerordentliches Maß an Sorgfalt, Gedankentiefe und systematischer Klarheit. Damit erfüllt sie die Erwartungen an eine fundierte wissenschaftliche, gleichwohl gut lesbare Arbeit aufs Beste, ist als Handbuch für die tägliche Arbeit wegen der Fülle des Materials aber weniger geeignet.
Jens Claussen ist ein sehr aktives Mitglied von Transparency Deutschland.

(Dr. Peter v. Blomberg)

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