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Rezension

Jessica Gentsch: „Staatliche Beschaffung und Korruptionsprävention, Mit einem Vorschlag für eine europäische Regelung zur Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen auf Bieterseite.“

Jessica Gentsch beschäftigt sich im Rahmen ihrer Dissertation mit der Frage, ob Auftraggeber im Rahmen ihrer Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags das Engagement von Unternehmen auf dem Gebiet der Korruptionsprävention stärker als bislang berücksichtigen können und sollten.
Während Korruptionspräventionsbemühungen von potenziellen Auftragnehmern bislang nur nach bereits erfolgten Korruptionsverstößen im Rahmen sogenannter Selbstreinigungsmaßnahmen berücksichtigt werden, fordert die Autorin auf, zukünftig die Zuverlässigkeit von potenziellen Auftragnehmern auch an der Güte ihrer implementierten Compliance-Maßnahmen – und damit anhand von präventiven Maßnahmen zur Korruptionsvermeidung, ohne dass es bereits zu einem Rechtsverstoß gekommen ist – zu messen und entsprechende Vergabeentscheidung hieran indirekt zu knüpfen. Hierfür bietet sie einen konkreten Regelungsvorschlag (S. 201) an, um zunächst eine bislang generell nicht existierende Pflicht zur Implementierung von Compliance-Maßnahmen (mit Ausnahme für Aktiengesellschaften bzw. Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die aufgrund ihrer Größe und Branche ein erhöhtes Korruptionsrisiko aufweisen) für den Bereich des Vergaberechts zu etablieren.
Mit dem weit formulierten Regelungsvorschlag hat die Autorin Abstand davon genommen, konkrete Compliance-Maßnahmen zwingend vorzuschreiben zu wollen, sondern plädiert ausdrücklich dafür, offene Regelungsvorgaben zu implementieren. Die Einführung/Umsetzung von adäquaten Compliance-Maßnahmen hat sich anschließend an den konkreten Korruptionsrisiken eines jeden Unternehmens zu orientieren, wobei hierfür den Unternehmensverantwortlichen ein Ermessensspielraum eingeräumt wird. Hierdurch wird auch kleineren und mittleren Unternehmen eine Möglichkeit eröffnet, für sie passende Instrumente wählen zu können.
Der Regelungsvorschlag und die damit neu etablierte Pflicht zur Implementierung von Compliance-Maßnahmen würde im Vergaberecht für alle Bewerber – unabhängig von der Rechtsform der jeweiligen Unternehmen – gelten.
Die Autorin verfolgt mit ihrem Vorschlag einen interessanten neuen Ansatz, wie Korruptionspräventionsinitiativen durch potenzielle Auftragnehmer im Bereich des Vergaberechts besser berücksichtigt und honoriert werden können. Allerdings bleibt die Frage offen, wie zu verfahren ist, wenn es trotzt nachgewiesener Bemühungen zur Etablierung von Korruptionspräventionsmechanismen dennoch zu Verstößen gekommen ist. Hierfür sind und bleiben schlussendlich die bereits etablierten Regelungen und geforderten Ausweitungen (bspw. ein bundesweites Korruptionsregister) notwendig.

(Dr. Christian Lantermann)