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Rezension

Jorge Mario Bergoglio (Papst Franziskus): Korruption und Sünde. Eine Einladung zur Aufrichtigkeit

Freiburg im Breisgau: Herder Verlag 2014, ISBN: 978-3-451-06684-9, 76 Seiten. 7,90 Euro

Die Einleitung zur deutschen Erstausgabe schreibt der Jesuit Michael Sievernich. Sie umfasst beinahe die Hälfte des in DIN A6 aufgelegten Büchleins und lautet: „Warum Korruption ethisch und spirituell verwerflich ist“. „Richtig und rechtmäßig sind [nach Aristoteles] diejenigen Verfassungen, die den gemeinsamen Nutzen im Auge haben.“ Ziel der Veröffentlichung ist: „Teufelskreise der privaten und institutionellen Korruption zu durchbrechen und an der Hervorbringung positiver Regelkreise des Guten mitzuwirken, die Anreize zur Verantwortung bieten.“ „Korruption und Sünde“ stellt den  Kollateralschaden ins Zentrum, den Korruption zu Lasten aller anrichtet. Der Befreiungstheologe und jetzige Papst stellt klar, dass die systemisch gewordene Korruption strukturelle oder „soziale Sünde“ ist. Korruption ist mit Demokratie und sozialer Marktwirtschaft nicht vereinbar.
Bergoglio bezieht seine Erkenntnisse zur Korruption aus der Bibel (beispielhaft: Korruption des Judasverrats durch Bestechungsgeld, Pilatus korrumpiert der Machterhalt und er wäscht seine Hände in Unschuld). Unter dem Begriff „lässliche“ Korruption, als dem Anschein des Guten, fasst er seine persönlichen Erfahrungen in einer Ordensgemeinschaft zusammen. Anhand dieser Erfahrungen lädt er auf den letzten Seiten des Buches zur Aufrichtigkeit in der Kirche ein.
Nach Bergoglio ist es unvermeidbar, dass der Mensch Fehler macht oder Schuld auf sich lädt. Der Ursprung dafür liegt im schwachen Herzen des Sünders. Zur Sünde gehören jedoch die Selbstwahrnehmung und das schlechte Gewissen. Nicht so beim Korrupten: Korruption erfordert eine persönliche Entscheidung. Von der Sünde führt ein qualitativer Sprung zu einem „korrupten Zustand“. Der  Korrupte wirkt im Dunkeln. Er täuscht andere und sich selbst. So bemerkt er seine Korruptheit nicht.
Der Papst zeichnet anhand anschaulicher Beispiele das charakteristische psychopathologische Innenleben des Korrupten, das ihn als solchen gegenüber den Mitmenschen erkennbar macht. Die gute Tauglichkeit seiner prägnanten
Charakterisierung lässt sich nach der Erfahrung des Verfassers dieser Rezension in der Wirklichkeit in der Regel überprüfen.

Dieses Buch ist ein Meilenstein im Kampf gegen die von der Korruption Besessenen. Der Papst wörtlich: „Wir können die Evangelien neu lesen, um die typischen Wesenszüge dieser Menschen und ihre Reaktion auf das Licht  ausfindig zu machen, das der Herr ausstrahlt“ (S. 36). Die Christenheit wird sich künftig an dieser hohen Messlatte messen lassen müssen.

Gert Scheermaier

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