Publikationen
Rezension

Jürgen Roth: Spinnennetz der Macht

Econ, Berlin 2013, 334 Seiten, 19,99 Euro

Das neueste Buch von Jürgen Roth, einem der bekanntesten investigativen Journalisten Deutschlands, schockiert.Manches hat man gewusst oder geahnt, aber dass unsere vergleichsweise lebendige Demokratie derart gefährdet ist, von mächtigen Netzwerken und Seilschaften erstickt zu werden, hatte man auch als kritischer Zeitgenosse nicht erwartet.

Das Buch ist in acht Themenkomplexe aufgegliedert, die man auch einzeln lesen kann: Demokratieprinzip, Rechtsstaatsprinzip, Sittenbild eines Bundeslandes, kriminelle Organisationen, Behördenwillkür, Bankenmacht, Innere Sicherheit, Sozialstaatsprinzip. Anhand vieler gut recherchierter Beispiele rollt Roth Verflechtungen und Machtmechanismen auf. Er erzählt Geschichten aus allen Bereichen unseres gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Umfeldes, sehr gut geschrieben und spannend zu lesen. Wir erfahren ganz konkret, wie die Meinungen von Journalisten und Politikern gekauft werden und wer zu diesen Netzwerken gehört. Wir lesen über Hintergründe des Berggruen Institute von Nicolas Berggruen und seine Karstadt-Rettung. Roth deckt auf, welche internationalen Denkfabriken, Anwaltskanzleien, PR-Agenturen und Beratungsunternehmen an welchen Stellen Einfluss nehmen. Er durchleuchtet unser Rechtsstaatssystem, das bei weitem nicht so unabhängig ist, wie die meisten Bürger glauben. Schonungslos zeigt Roth auf, wie es möglich war, dass Gustl Mollath in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Man würde vieles gern als überspitzt und polemisch abtun, aber das verbietet Roths gründliche Recherche. Zu jedem Kapitel gibt es ein ausführliches Quellenverzeichnis. Roth nennt in allen Fällen Ross und Reiter. Man kann sich seiner schonungslosen Analyse nicht entziehen. Das Buch ist ein Weckruf. Roth geht es „um die Grundlagen des demokratischen Systems, um das Vertrauen in die politischen Institutionen, das mittlerweile dahinschmilzt wie das Eis in der Arktis“. Nur sehr kurz geht der Autor auf die Frage ein, was getan werden könnte. Er setzt auf eine wachsende Zahl von Menschen, die sich sozial und politisch engagieren. Ein sehr empfehlenswertes Buch für jeden nachdenklichen Bürger.

(Christa Dürr)

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