Publikationen
Rezension

Klaus Bernsmann / Norbert Gatzweiler: Verteidigung bei Korruptionsfällen

Heidelberg: C. F. Müller-Verlag 2008, ISBN 978-3-81-143363-2, 302 Seiten, 42 Euro.

Das Werk von Bernsmann und Gatzweiler bereitet ein zunehmend praxisrelevantes Spezialgebiet der Strafverteidigung übersichtlich auf. Das Buch befasst sich in den Teilen 1-4 zunächst mit den  Tatbeständen der Amtsträgerdelikte, der Abgeordnetenbestechung, der Bestechlichkeit und Bestechung im Geschäftsverkehr sowie der Untreue als Begleitdelikt. Es folgen Teile zum  internationalen Korruptionsstrafrecht, zu steuerstrafrechtlichen und strafprozessualen Aspekten sowie zu Nebenfolgen.
Der Überblick über die Tatbestände mitsamt der einschlägigen Rechtssprechung ist gut gelungen und kann dank kritischer Literaturnachweise als wertvolle Argumentationshilfe für den Praktiker dienen (Beispiel: Schmiergeld als „Mindestschaden“, S. 149 ff.). Leider sind manche Argumentationslinien – zum Teil aufgrund höchstrichterlicher Urteile – inzwischen kaum mehr vertretbar (zum Beispiel zur  Amtsträgereigenschaft der Mitarbeiter von Rundfunkanstalten – „Fall Emig“).
Mit Blick auf die weltweite Schlusslicht-Rolle der BRD erscheint zudem die Negation des  Handlungsbedarfs bei der Abgeordnetenbestechung (S. 121) schwer vertretbar. Schlicht unverständlich ist jedoch die im Hinblick auf § 299 StGB geäußerte These, es sei „befremdlich, wenn nicht naiv, „staatsbürgerliche Interessen“ an einem funktionierenden Markt oder ein allgemeines Interesse am Schutz vor Verteuerungen durch Schmiergeldzahlungen mit dem Strafrecht in Verbindung zu setzen“. „Befremdlich“ dürften vielmehr die Bürger Kölns die korruptionsbedingte Preisexplosion der Müllgebühren empfinden. Schwer nachvollziehbar erscheint auch die Bewertung der Verlagerung des § 12 UWG in das Kernstrafrecht (§ 299 StGB) als kriminalpolitisch nutzlos und als Ausdruck einer „Skandalisierungsabsicht“ (S. 128) des Gesetzgebers. Der Blick in die Tageszeitungen offenbart vielmehr, dass der Skandal dann doch eher die traurige Realität ist.
Durch den „Siemens-Fall“ vollständig überholt sind schließlich die Plädoyers mit der „Notwendigkeit einer Kasse für den Unternehmenserfolg“ (S. 158) oder mit dem Motiv des „Überlebensinteresses“ des Unternehmens (S. 146). In diesem Zusammenhang vermisst man leider auch jegliche Ausführungen zu der hochaktuellen Frage der Strafbarkeit von Leitungspersonen wegen Bestechung in mittelbarer Täterschaft durch das bloße Gewähren lassen von Untergebenen oder gar durch Nichteinschreiten. Durch die Notwendigkeit interner Aufklärung stellt sich zudem die Realität der „Sockelverteidigung“ inzwischen deutlich kontroverser und komplexer dar als geschildert. Es handelt sich somit um ein für den Praktiker sehr hilfreiches, jedoch teilweise überholtes Werk, dem man nicht in allen Thesen zustimmen kann.

(Dr. Oliver Pragal)

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