Publikationen
Rezension

Peter Graeff, Jürgen Grieger (Hrsg.): Was ist Korruption? Begriffe, Grundlagen und Perspektiven gesellschaftswissenschaftlicher Korruptionsforschung

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2012, ISBN 978-3-8329-7341-4, 236 Seiten, 26,00 Euro.

Mit dem vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten sich verstärkenden Kampf gegen Korruption zeigte sich sehr bald, dass eine Beantwortung der dem vorzustellenden Buch titelgebenden Frage nicht einfach und schon gar nicht – wie häufig versucht – allein aus strafrechtlicher Perspektive gelingen kann. Schnell wurde klar, dass politische und zivilgesellschaftliche Aktivitäten gegen Korruption auch einer stärkeren theoretischen Fundierung bedürfen. Eine Konsequenz war die vor fünf Jahren von Transparency International Deutschland initiierte Bildung eines wissenschaftlichen Arbeitskreises aus Vertretern unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen, der nunmehr seine zweite Publikation vorlegt.

Das Buch ist, wie in der Einleitung hervorgehoben, eine Art interdisziplinärer Forschungsbericht zu Korruptionsbegriffen. Den Hauptteil des Buches bilden die Antworten auf die Frage „Was ist Korruption?“ aus der Sicht unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen wie der Ökonomie (Volker Nagel/Lotte Beck), der Managementwissenschaft (Jürgen Grieger), des Strafrechts (Holger Niehaus), des Privatrechts (Olaf Meyer), der Geschichtswissenschaft (Alexander Nützenadel), der Verwaltungswissenschaft (Christoph Reichard), der Politikwissenschaft (Sebastian Wolf), der Soziologie (Peter Graeff/Rainer Dombois), der Psychologie (Tanja Rabl) und der Kriminologie (Stefanie Thiel). Dem theoretischen Anliegen der insgesamt vierzehn Autoren – der Qualifizierung gesellschaftswissenschaftlicher Korruptionsforschung – Rechnung tragend, werden ein Beitrag zur Bedeutung von Definitionen (Karl-Dieter Opp) vorangestellt und abschließend Korruptionsbegriffe in der beruflichen Praxis (Antonia Steßl) und in der Forschungspraxis (Peter Graeff) behandelt.

Ziel der Autoren ist es nicht, eine einheitliche Definition von Korruption zu konstruieren. Es geht ihnen vielmehr darum, aus einer transdisziplinären Betrachtung, der Ableitung differenzierter Korruptionsbegriffe aus dem disziplinären wissenschaftlichen Kontext, einen gemeinsamen Verständniszugang und damit auch die Möglichkeit einer gemeinsamen wissenschaftlichen Kommunikation zu begründen.

Die in erster Linie theoretische Orientierung des Buches und seine Bedeutung als ein wesentlicher Beitrag zur Korruptionsforschung, der mit disziplinärer Bestimmtheit nicht Grenzen setzt, sondern Möglichkeiten differenzierter Erkenntnis von Korruptionsphänomenen in der Realität eröffnet, schließt einen Gewinn für praktisches politisches und zivilgesellschaftliches Handeln keineswegs aus. Im Gegenteil bieten die in diesem Buch vermittelten Erkenntnisse wichtige Orientierungen nicht nur für die praktische Korruptionsbekämpfung, sondern auch für die dieser notwendigerweise zugrunde liegende Bewusstseinsbildung.

Jürgen Marten

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