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Rezension

Peter Imbusch, Dieter Rucht (Hrsg.): Profit oder Gemeinwohl? Fallstudien zurgesellschaftlichen Verantwortung von Wirtschaftseliten

Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2007

ISBN 978-3-531-15507-4. 334 Seiten. 28 Euro

Unter dem Schlagwort Corporate Social Responsibility (CSR) wird in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik vermehrt die Verantwortung von Unternehmern und Managern gegenüber ihren gesellschaftlichen Anspruchsgruppen – den Stakeholdern – diskutiert. Die Soziologen Imbusch und Rucht leisten zu dieser Diskussion einen Beitrag mit einem

Sammelband über acht Fallstudien, welche verschiedene Stufen der Verantwortungsvermeidung und –übernahme durch Unternehmen illustrieren. Als Beispiel eines Wirtschaftsakteurs, der aus Eigennutz Regeln verletzt, wird von Christian Galinska der Fall Mannesmann herangezogen. Hierbei wird insbesondere auf die Person Klaus Esser Bezug genommen, der nach der feindlichen Übernahme von Mannesmann eine für damalige Verhältnisse ungewöhnlich hohe Abfindung erhielt und sich wegen des Verdachts der Veruntreuung von Firmengledern vor Gericht verantworten musste. Die zweite Fallstudie beschreibt das Jahrzehnte lange Taktieren der Tabakindustrie zur Vermeidung jeglicher Beschränkungen bei der Vermarktung von Zigaretten. Peter Imbusch diagnostiziert eine Abwehrhaltung seitens der Tabakunternehmen, die nur schrittweise und unter enormen Druck zu möglichst kleinen

Zugeständnissen bereit waren. Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter sollte zunächst als Beispiel für eine erzwungene Kooperation dienen. Bei einer näheren Analyse stellt Susanne-Sophia Spiliotis allerdings fest, dass die teilnehmenden Unternehmen – hierunter viele, die

erst nach 1945 gegründet wurden, – mehr Verantwortung übernahmen, als gerichtlich hätte eingefordert werden können. So war es das erklärte Ziel der Initiative, dass alle ehemaligen Zwangsarbeiter entschädigt werden und nicht nur die kleine Gruppe derjenigen, die Ansprüche gegen noch bestehende Unternehmen haben. Die nächste Fallstudie beschreibt Wirtschaftsakteure, die eine Verantwortungsübernahme lediglich signalisieren, ohne nachweislich substantielle Fortschritte zu machen. Dieter

Rucht führt die Entwicklung und Verankerung des Corporate Governance Kodex für börsennotierte Unternehmen hier als Beispiel an. Insbesondere das Fehlen ernsthafter Sanktionen sieht er als Zeichen dafür, dass es bei dieser Selbstverpflichtung an Ernsthaftigkeit fehlt. Eine weitere Selbstverpflichtung untersuchen Annette von Alemann und Stefan Sielschott mit der Annahme, dass hier ein Tauschgeschäft vorliegt: die Vereinbarung der Bundesregierung und der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft. Auch in diesem Fall wird kritisiert, dass größtenteils unverbindliche Signale gesetzt wurden und wenig konkrete Erfolge messbar sind. Substantielle Zugeständnisse eines Wirtschaftsakteurs weist Stefan Grohs im Fall der Volkswagen AG nach. Um hinreichend Akzeptanz für sein Modell 5000 x 5000 zu erhalten, gab das Unternehmen in Verhandlungen mit den Gewerkschaften und im Austausch mit Politikern nach. Das Verhandlungsergebnis wird von allen Beteiligten als win-win- Lösung bezeichnet. Ebenfalls substantielle Zugeständnisse machten die Unternehmen, welche das europäische Ecomanagement and Audit Scheme (EMAS) einführten. Brigitte Geißel beschreibt diesen Prozess und die damit verbundenen Schwierigkeiten und Chancen bei zwei Unternehmen aus Ost- und Westdeutschland. Als Beispiel für ein proaktives Eintreten für das Gemeinwohl zieht Sabine Reimer das Projekt business@school der Bosten Consulting Group heran. Dieses Projekt wurde von engagiere Eltern ins Leben gerufen, die für das Beratungsunternehmen tätig sind, und sich zunutzen machten, dass die Boston Consulting Group traditionell 2 bis 2,5 Prozent ihrerPersonalkapazität für pro bono-Projekte zur Verfügung stellt. Abschließend beschreibt Peter Imbusch die Schockwerbung der Firma Benetton als ein Beispiel, welches sich einer Kategorisierung in Bezug auf CSR entzieht. Insgesamt liegt mit diesem Buch eine sehr instruktive Analyse von Unternehmensverantwortung vor. Eine Schwäche des Sammelbands ist es allerdings, dass die breite Literatur zur Wirtschafts- und Unternehmensethik von der Mehrzahl der Autoren nicht zur Analyse herangezogen wird. Hierdurch entsteht die paradoxe Situation, dass insbesondere philanthropische Aktivitäten wie zum Beispiel das Project der Bosten Consulting Group als positive Beispiele hervorgehoben werden, während weitreichende Veränderungen von Managementstrukturen und Unternehmensstrategien mit den damit verbundenen Umsetzungsproblemen in der Bewertung schlechter abschneiden. Es entsteht so der Eindruck, dass Unternehmensverantwortung sich in erster Linie auf Aktivitäten außerhalb der Unternehmung beschränkt und im eigentlichen Kerngeschäft eine untergeordnete Rolle spielen darf. Dies war sicherlich nicht die Intention der Autoren. Der Sammelband ist gut für die Lehre geeignet, da die Fallbeispiele alle sehr systematisch nach dem gleichen Muster analysiert wurden. Zudem werden keine fachspezifischen Vorkenntnisse von den Lesern erwartet. Aber auch Kenner der Thematik können hier fündig werden, da ein Teil der Fälle anderenorts noch nicht so umfassend und auf den Punkt gebracht beschrieben wurde.

Julia Roloff

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