Publikationen
Rezension

Pörksen, Bernhard und Krischke, Wolfgang (Hg.): Die gehetzte Politik Die neue Macht der Medien und Märkte

Herbert von Halem Verlag, Köln 2013, 360 Seiten, 19,80 Euro

Es ist „kein Buch der fertigen Antworten, sondern eher eines der dialogischen Erkundungen“ (S. 9f). Verfasst wurde es von 23 Studierenden der Universität Tübingen. Sie interviewten 27 bekannte Politiker, Journalisten, Wirtschaftsleute und kritische Intellektuelle. Dazu gehören so unterschiedliche Menschen wie Wolfgang Schäuble, Daniel Cohn-Bendit, Carsten Maschmeyer, Sahra Wagenknecht, Christian von Boetticher, Richard David Precht und Nikolaus Blome. In der Einleitung werden Ausgangsthesen, die der Befragung zugrundeliegen sowie allgemeine Beobachtungen beschrieben. Angenommen wird eine Krise des Parlamentarismus sowie generell des politischen Geschäfts. Es fände eine schleichende Marginalisierung der Legislative statt. Entscheidungen von existenzieller Bedeutung würden zunehmend in kleinen Zirkeln der Exekutive getroffen. Politische Entscheidungsträger seien „in einer Mischung aus vermeintlichen Sachzwängen, selbstgesetzten Doktrinen und permanentem Zeitdruck“ (S. 16) gefangen. Alle bekommen ihr Fett ab: Die ,Wutbürger‘ interessierten sich primär für Ärgernisse vor ihrer Haustür (S. 19). Die Medien arbeiteten sich primär an Skandalen und an Individuen ab (S. 20). Die öffentliche politische Diskussion sei dominiert von „exzessiven Debatten über die persönliche Integrität“ (S. 20) anstelle weltanschaulicher Konfrontationen. Lobbyisten schließlich seien von einem „legitimen Informationsaustausch … zur massiven Einflussnahme auf die politische Willensbildung übergegangen“ (S. 18). Kritisch beleuchtet wird auch die Rolle des Internet. Das Internet segmentiere. Jeder könne in seiner eigenen Informationswelt leben. So werde es immer schwieriger Gemeinsamkeiten festzustellen (S. 205).

Die Überlegungen der Interviewten zu diesen Thesen sind durchweg lesenswert und gut geschrieben. Ich kann das Buch als unterhaltsame Ferienlektüre empfehlen. Es hat dreifach Lob verdient: Für eine praxisnahe Ausbildung künftiger Journalisten an einem medienwissenschaftlichen Lehrstuhl, für die Relativierung bekannter Vorurteile und Stereotypen sowie für die Bereitschaft des Verlages, die Arbeit von Studierenden durch eine Buchveröffentlichung zu würdigen.

(Edda Müller)

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