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Rezension

Sascha Adamek: Die Atomlüge - Getäuscht, vertuscht, verschwiegen: Wie Politiker und Konzerne die Gefahren der Atomkraft herunterspielen.

Wilhelm Heyne, München 2011, 224 S., 8,99 Euro

Faktenreich und spannend schildert Sascha Adamek die Geschichte der Atomkraft in Deutschland. Sie sei eine Geschichte von Täuschungsmanövern über die tatsächlichen Kosten und Gefahren der Kernenergie, des Verschweigens und Vertuschens von Störfällen sowie einer zu großen Nähe von Spitzenpolitikern und Stromkonzernen. Das Buch liest sich auch als eine Fallstudie des Lobbyismus und des Verstoßes gegen demokratische Regeln. Spitzenpolitiker wechseln auf lukrative Posten in der Energiewirtschaft, Ex-Lobbyisten übernehmen führende Funktionen in der Ministerialverwaltung. „Prüfer [gemeint ist der TÜV-Süd] und Geprüfte leben in der Atombranche… eine symbiotische Beziehung“ (S. 63). Sowohl der rot-grüne Ausstiegsbeschluss als auch die schwarz-gelbe Lauf-zeitverlängerung seien das Ergebnis intransparenter Verhandlungen und Absprachen – hinter dem Rücken der Parlamentarier und der Öffentlichkeit. Sascha Adamek scheint trotz Fukushima und trotz des Moratoriums für die ältesten Anlagen an Merkels Sinneswandel und an die Kapitulation der Atomlobby nicht recht zu glauben. (Redaktionsschluss für sein Buch war anscheinend der April 2011, also vor der Novelle des Atomgesetzes). Seine Messlatte für die Glaubwürdigkeit der Politik und ihre Emanzipation von den Interessen der Atomlobby ist der „unumkehrbare und kurzfristige Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie“ (S. 206). Dass die Atomenergie damit nicht erledigt sein wird, sondern eine Hypothek hinterlässt, die noch Generationen von Steuerzahlern zu schultern haben werden, entlarvt besonders eindringlich das Märchen von der billigen Kernenergie. Adamek illustriert dies mit dem Rückbau der Hinterlassenschaften der DDR-Atomindustrie. Sie hätte den deutschen Steuerzahler bis heute rund 10,5 Milliarden Euro gekostet. Angesichts der weit umfangreicheren Atomindustrie sowie der ungeklärten Endlagerung der Abfälle im Westen Deutschlands vermittele dies eine ungefähre Vorstellungen von den enormen finanziellen Belastungen, die auf die deutschen Steuerzahler zukommen werden (S. 171). Das Buch von Adamek liefert gut recherchierte Fakten und Beispiele für das Verharmlosen einer Technologie, die allein wegen der unumkehrbaren Entsorgungsproblematik niemals hätte genutzt werden dürfen. Es beschreibt auch, wie ein solcher Irrweg trotz jahrzehntelanger Proteste in einer Demokratie möglich sein konnte. Was Adamek nicht beschreibt, ist die Tatsache, dass am Ende - zumindest nachmeiner Überzeugung - die Demokraten gesiegt haben. Gewonnen haben auch diejenigen, die seit vielen Jahren eine alternative Energiepolitik angeschoben haben. Diese beruht auf dem Beitrag erneuerbarer Energien und Anstrengungen zur Steigerung der Energieeffizienz. Die Atomenergie passt systemisch nicht mehr in diese neue Energielandschaft. Sie ist zu unflexibel und schon deshalb gehört sie so schnell wie möglich abgeschaltet.

Edda Müller

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