Publikationen
Rezension

Sascha Adamek, Kim Otto; Der gekaufte Staat. Wie Konzernvertreter in deutschen Ministerien sich ihre Gesetze selbst schreiben.

Köln: Kiepenheuer & Witsch;  ISBN: 978-3-462-03977-1, 231 Seiten, 18,95 Euro

Externe Mitarbeiter in Ministerien bedrohen die Unabhängigkeit des Verwaltungshandelns, weil Unternehmensvertreter die Möglichkeit haben, unbehelligt Gesetze im Sinne ihrer Interessen zu schreiben, während sie auf der Gehaltsliste ihrer Konzerne stehen. Dies geschieht auf Wunsch des Staates, der den Austausch zwischen Wirtschaft und Politik fördern will und es der Verwaltung ohnehin an technischem Fachwissen mangelt. Kurzum, die Politik hierzulande versagt – der Staat ist gekauft, so die These von Sascha Adamek und Kim Otto.

Mit einer Reihe von ausführlichen Fallbeispielen untermauern die Autoren ihre Kritik und zeichnen die Spuren der Lobbyisten nach: beispielsweise die der Fraport AG im „Gesetz zum Schutz vor Fluglärm“ und die der Chemieindustrie in der EU-Verordnung „REACH - Registrierung, Evaluierung und Zulassung von Chemikalien“. Auch die Anstrengungen der deutschen Energiekonzerne zur Abwendung der Deregulierung des deutschen Energiemarktes werden unter die Lupe genommen. Die Fälle lesen sich wie Politthriller und der Leser wird mit immer neuen Details konfrontiert, wie beispielsweise der mangelnden Unabhängigkeit von Kontrollinstitutionen und diversen Seitenwechseln zwischen Politik und Wirtschaft.

Durch ihren zugespitzt scharfen und zynischen Ton rütteln die Autoren wach und legen den Finger in eine wichtige Wunde. „Der gekaufte Staat“ ist das Ergebnis von investigativem Journalismus – Adamek und Otto haben nachgefragt und waren hartnäckig. Sie sind auf Skandalöses, viele Grauzonen, aber auch Mauern des Schweigens gestoßen. Ihr Buch leistet einen wichtigen Beitrag dazu, demokratische Schwachstellen aufzudecken, indem sie intransparente Strukturen und Interessenkonflikte offen legen. Dass dies auf Kosten der differenzierten Darstellung des Phänomens Lobbyismus geschieht, nehmen sie in Kauf. Zwar wird auch mal in einem Nebensatz erwähnt, dass Lobbyismus Teil der demokratischen Willensbildung ist, doch schnell vergessen ist dieses Argument, wenn der Krimi in eine weitere Runde geht.

Daher überrascht es schließlich ein wenig, dass sich die Autoren scheinbar leicht vom „guten Lobbyisten“ in Gestalt von Wolf-Dieter Zumpfort des Touristikonzern TUI haben überzeugen lassen. Er hält das Geschenke-Verbot für Beamte ein und lässt nur der Chefsekretärin, nicht aber dem Minister Pralinen zukommen. Darüber hinaus führt er Lobby-Gespräche mit Beamten nur im Rahmen moderater 25-Euro-Restaurantbesuche (S. 48). Dass er aber ausgewählte Abgeordnete in den Weinkeller zu gutem Wein und Essen zu Diskussionen und einem anschließenden Golfspiel einlädt, bleibt in einem unkritischen Licht stehen (S. 49). Getreu dem von Zumpfort zitierten Motto der Lobbyisten „getrennt marschieren, vereint schlagen“ (S. 41) können aber natürlich gerade einzelne Unternehmen ihren guten Ruf wahren, indem sie das Eingemachte den Verbänden überlassen, denen Sie angehören.   

Schließlich ist „Der gekaufte Staat“ ein sehr lesenswertes und unterhaltsames Buch, das den öffentlichen Diskurs über die Unabhängigkeit und Transparenz der Verwaltung bereits positiv befördert hat. Inzwischen hat das Bundesinnenministerium eine Verwaltungsvorschrift dazu erlassen, nachdem der Bundesrechnungshof in einem Bericht zahlreiche Mängel aufgedeckt hatte.

(Ricarda Bauch)

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