Publikationen
Rezension

Stark, Carsten und Lahusen, Christian (Hg.): "Korruption und neue Staatlichkeit - Perspektiven sozialwissenschaftlicher Korruptionsforschung"

Norderstedt: Books on Demand 2009, ISBN 978-3-8391-1226-7. 197 Seiten. 19,80 Euro

Die Beiträge behandeln ein breites Spektrum der Korruptionsthematik: theoretische Erklärungen der Korruption und Strategien und Arrangements der Korruptionsbekämpfung, Risiken des New Public Management und Länderfallstudien. Der Reiz des theoretischen Teils liegt in der Gegenüberstel- Rezensionen 30 lung von zwei gänzlich unterschiedlichen Erklärungsansätzen zur Korruption, mit unterschiedlichen Folgerungen auch für die  Korruptionsprävention. Aderhold und Döring sehen in ihrem systemtheoretisch orientierten Beitrag die Quelle der Korruption in den komplexen  Steuerungsprozessen moderner, funktional differenzierter Gesellschaften: Organisationen und Netzwerke, welche die spezialisierten Funktionsbereiche vermitteln, tragen stets das Risiko in sich, dass unvermeidliche, ja für die soziale Integration nützliche informelle Beziehungen korruptiv gewendet werden. Demgegenüber geht der Beitrag von Graeff und Steßl über Compliance-Strategien von der akteursorientierten Prinzipal- Agenten-Theorie aus. Dabei erweitern sie diesen Ansatz: Um auch Korruption zum Nutzen des Prinzipals – wie etwa den Fall Siemens – zu erklären, beziehen sie widersprüchliche Anforderungen des Prinzipals an den Agenten ein. Zudem bringen sie das Konzept des korruptiven Netzwerks ein. Die übrigen Beiträge sind weniger theoretisch orientiert. Ina Hundhammer-Schrögel plädiert in ihrem Beitrag zur Korruptionsbekämpfung für die Implementierung eines wertund normorientierten ‚Integritätsmanagements’. Kerstin Steinhäuser schreibt dem Neuen Steuerungsmodell des Verwaltungshandelns und ihren ökonomischen Rationalitätsprinzipien neue Korruptionsrisiken zu. Die Fallstudien von Anton Sterbling zu Rumänien und von Bishawjit Mallick und Joachim Vogt zu Bangladesch machen deutlich, wie Formen und Funktionen von Korruption durch die spezifischen kulturellen und institutionellen Bedingungen geprägt werden. In dem abschließenden, informativen Beitrag behandelt Sebastian Wolf die Ausbildung internationaler Regime und ihre Auswirkungen auf nationale Regelungen und Praktiken. Wolf zeigt die Geschichte der  Internationalisierung des Antikorruptionsdiskurses auf und stellt die wichtigsten Regime und ihre Stärken und Schwächen vor. Insgesamt umfasst das Buch einen bunten Strauß von konzeptionell  und thematisch sehr heterogenen Beiträgen. Der anspruchsvolle Titel gibt diese Heterogenität nicht wieder. Der Bezug zwischen Korruption und Staatlichkeit wird überhaupt nur in wenigen Beiträgen thematisiert. Immerhin können Leser mit höchst diversen Interessen aus den Einzelbeiträgen jeweils spezifischen Nutzen ziehen.

(Rainer Dombois)

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