Publikationen
Rezension

Susanne Boemke und Hendrik Schneider: Korruption im Gesundheitswesen

Deutsche Krankenhaus Verlagsgesellschaft mbH, Düsseldorf 2011, ISBN 978-3-940001-83-2, 187 S., 49,90 Euro.

Die Autoren - beide Juristen – setzen sich primär mit Compliance in Krankenhäusern auseinander. Dabei sehen sie die Notwendigkeit, mit der Medizinprodukteindustrie in einem sich ausweitenden „Gesundheitsmarkt“ zu kooperieren, als unausweichlich an. In sechs Kapiteln von unterschiedlicher Länge und Qualität werden kriminalpolitische, kriminologische sowie rechtliche Grundlagen, Antikorruptionsrichtlinien in Krankenhäusern und Unternehmen, Instrumente der Korruptionsprävention in denselben und ihre arbeitsrechtlichen Konsequenzen sowie Verteidigungsstrategien im Fall eines Ermittlungsverfahrens diskutiert. Die Autoren vertreten dabei zum Teil Auffassungen, die nachhaltige Korruptionsprävention verhindern. So stellt die gegenwärtige Rechtsauffassung, dass niedergelassene Ärzte bislang nicht wegen Bestechlichkeit nach §299 StGB verurteilt wurden, für die Autoren ein Beitrag zur Korruptionsprävention dar. Selbst wenn niedergelassene Ärzte Geschenke oder Vorteile annehmen, für die ihre Kollegen im Krankenhaus wegen eines Korruptionsdeliktes verurteilt würden, postulieren Boemke und Schneider: „Niedergelassene Ärzte sind keine Amtsträger. Die gegenteilige, bislang nur im Schrifttum vertretene Auffassung überzeugt nicht.“ (Seite 39) (Anmerkung der Verfasserin: Eine Klärung der Rechtslage wird die anstehende Grundsatzentscheidung des BGH  herbeiführen.) Die Darstellung der kriminalpolitischen und kriminologischen Grundlagen der Korruption im Gesundheitswesen beschränkt sich auf die Einschätzung, dass das Problem eher im „politisch-publizistischen Verstärkerkreislauf“ „durch selektive Wahrnehmung und Dramatisierung“, unter anderem auch durch die Organisation Transparency International (Seite13) überschätzt wird.
Eine Stärke des Buches liegt in der sorgfältigen Erläuterung arbeitsrechtlicher Umsetzung von Instrumenten der Korruptionsprävention in Firmen und Krankenhäusern, die als Anleitung zum Aufbau und Durchsetzen von Compliance-Maßnahmen herangezogen werden können. Ausgespart bleibt die Problematik der Rechtsfolgen interner Ermittlungen durch die Compliance-Abteilungen oder durch vom Unternehmen beauftragte Dritte sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Ermittlungsbehörden und die Rechtssprechung insgesamt. Auch die Darlegung der Grenzen von existierenden Kodices der Branche (gemeint sind Selbstverpflichtungserklärungen wie zum Beispiel der Kodex der Freiwilligen Selbstkontrolle der Arzneimittelindustrie e.V.) ist lesenswert. Ein Kapitel führt auf 13 Seiten Verteidigungsstrategien im Fall eines Ermittlungsverfahrens auf, die in der Empfehlung eines Konsensualmodells  mündet, das den Verfahrensabschluss ohne Anklageerhebung gegen freiwillige Zahlung nach §153a StPO wahrscheinlicher macht. Beispielhaft für ein solches Konsensualmodell mit günstigem Ausgang (freiwillige Zahlung von 150.000 DM für die Staatskasse und 150.000 DM für die Mukoviszidose-Hilfe e.V.) wird die Einstellung des  Parteispendeverfahrens vor dem Landgericht Bonn 2001 gegen Altbundeskanzler Helmut Kohl angeführt. Da spätestens geht der Korruptionsprävention von Boemke und Schneider die Luft aus!

Angela Spelsberg

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