Publikationen
Rezension

Thomas Bellartz: Das Schleppnetz

Berlin: Neuspree Media GmbH 2013, ISBN 978-3-00042795-4, 335 Seiten, 28,80 Euro.

Angriff auf den Deutschen Apothekenmarkt.Wer hofft, im Erstlingswerk von Thomas Bellartz eine kritische Übersicht über die Machenschaften auf dem deutschen Pharmamarkt zu finden, den wird das Buch enttäuschen. Der Autor hat zwar als Redakteur der Pharmazeutischen Zeitung und als umstrittener Pressesprecher des ABDA reichlich Lobby-Erfahrungen sammeln können, es fehlt ihm aber der für eine Übersicht nötige Abstand. Das spürt man bei dieser mit Fotos aus dem Lobbyleben illustrierten Geschichte über die niederländische Versandapotheke Doc- Morris und ihre Rolle bei einer missglückten Umwandlung der deutschen Apothekenlandschaft in eine Konzern- und Kettenstruktur. Bellartz schildert den unverschämten Lobbyismus der Celesio-Manager mit der Attitüde eines involvierten Insiders. Der Pharma-Großhandelskonzern Celesio hatte DocMorris übernommen, um die Versandapotheke als Rammbock zur Zerschlagung der Einzelapotheken in Deutschland einzusetzen. Die saarländische Landesregierung unter Peter Müller mit ihrem Justiz- und Gesundheitsminister Josef Hecken, der in seiner beruflichen Vergangenheit mit Celesio verbunden war, hatte die verbotenen Vertriebspraktiken der gefräßigen Firma toleriert, bis der EuGH dem Geschäft ein Ende bereitete. Sehr persönlich und detailliert werden die Karrieren der beteiligten Manager und Behördenvertreter beschrieben. Die Darstellungen haben Tratsch-Charakter und entbehren weitgehend einer systemischen Analyse der wirtschaftlichen oder politischen Zusammenhänge. Der Autor schreibt über Millionenverluste und über ein munteres Bäumchen- Wechsel-Dich-Spiel in den beteiligten Vorständen und Aufsichtsräten, lässt aber die dahinterstehenden Interessen weitgehend in verwirrendem Nebeneinander. Auch zeitlich springt die Schilderung vor und zurück, ohne dass sich ein Sinn dieser wechselnden Perspektiven ergibt. Nicht ohne Häme berichtet der Autor von den politischen Helfershelfern dieser rechtlich fragwürdigen Deregulierungsaktion. Verantwortliche Gesundheitspolitiker aus allen Fraktionen kriegen ihr Fett weg. Ohne tiefgehende inhaltliche Erläuterungen macht sich der Autor zum Hofberichterstatter einer Posse, in der eines deutlich wird: Die Vermischung von politischen und wirtschaftlichen Funktionsträgern im parlamentarischen und im Regierungsalltag trägt die dekadenten Züge eines postdemokratischen Schmierentheaters.


Dr. Wolfgang Wodarg