Publikationen
Rezension

Thomas Faust: Organisationskultur und Ethik: Perspektiven für öffentliche Verwaltungen

TENEA Verlag 2003. ISBN 3-86504-032-2. 295 Seiten

Die Dissertation von Thomas Faust beschäftigt sich mit der Frage, ob es nicht wie in anderen Ländern auch zur Modernisierung der deutschen Behörden gehört, neben den klassischen Regeln in der Verwaltung - hierarchischer Aufbau, Legalität, Gleichheit des Verwaltungshandelns u.a. - auch ethische Grundsätze - gegenseitiges Vertrauen und Offenheit sowie Ablehnung von Korruption und Ämterpatronage u.a. - stärker zur Maxime staatlichen Handelns zu erheben.

Für Transparency Deutschland ist die Antwort klar: Ethische Grundsätze werden in einer modernen Dienstleistungsverwaltung immer wichtiger. Viele sich für unser Staatswesen verantwortlich fühlende und uneigennützig handelnde Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes hatten sie ohnehin schon immer verinnerlicht. Das wissenschaftliche Interesse an ethischen Fragestellungen in der deutschen Verwaltung nimmt zwar seit einiger Zeit zu, aber in der Praxis vor Ort kommt davon kaum etwas an, da jede Verwaltungsreform fast nur noch unter dem Gesichtspunkt der Kostenminimierung gesehen und sogar verstärkt auftretende Fehlentwicklungen in der Verwaltung achselzuckend hingenommen werden. Und dies, obwohl die kritische Öffentlichkeit immer weniger bereit ist, über Skandale bei Regierung und Verwaltung hinwegzugehen.

Der Autor befasst sich in seiner Arbeit mit den zentralen Grundbegriffen Werte, Normen und Ethik, setzt sich mit ausgewählten Ansätzen der Wirtschafts- und Unternehmensethik auseinander und schildert einige Modelle der Unternehmens- und Organisationskultur. Er beschäftigt sich mit ethischen Fragen bei arbeitsteiligen Organisationsformen anhand der Principal-Agent-Theorie (sozialwissenschaftliche Theorie über die Beziehungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, hier zwischen Bürger und Verwaltung) und behandelt ausführlich die Funktionen einer zeitgemäßen Verwaltungskultur sowie anhand vergleichender Studien, was unter Verwaltungsethik zu verstehen ist. Er behandelt als geeignete Felder für die Verfestigung ethischer Grundsätze in deutschen Behörden die Bereiche Organisations- und Personalentwicklung und stellt schließlich die Umsetzung ethischer Ansprüche
an Einzelbeispielen vor.

Die Arbeit beschäftigt sich dabei auch mit Korruption in der Verwaltung, analysiert die verschiedenen Blickwinkel der Korruptionsbeteiligten und plädiert für ein abgestimmtes Zusammenwirken von strafrechtlichen Sanktionen und Ethikkonzepten. Zur Schaffung einer ethischen Infrastruktur, etwa durch die Institutionalisierung von Ombudspersonen und Ethik-Kommissionen sowie die Vermittlung ethischer Werte im Rahmen praxisbezogener Aus- und Fortbildung, setzt sich der Autor – wie auch Transparency Deutschland – für Maßnahmen zum Schutz von Whistleblowern, mehr Transparenz durch Informationsfreiheitsgesetze und die Selbstverpflichtung der Verwaltung und ihrer Vertragspartner zur Einhaltung integrer Geschäftspraktiken ein. Beispielhaft stellt er hierzu anhand des Ethik-Management-Systems (EMS) der bayerischen Bauwirtschaft ein Werteprogramm vor, das faire und transparente Verhaltensstandards festlegt und Vorgesetzte zur Vorbildfunktion verpflichtet.

Die nicht immer einfach zu lesende und einiges Insiderwissen voraussetzende Arbeit von Thomas Faust gibt Anregungen, trotz der finanziellen Krise unseres Staates wieder verstärkt über die Implementierung ethischer Werte in das Verwaltungshandelnnachzudenken. Dies nicht nur, weil viele Staatsdiener selbst hoffen, aus der Resignation herausgerissen zu werden und wünschen, sich wieder stärker mit der von ihnen erwarteten hundertprozentigen Erledigung ihrer Arbeit identifizieren zu können, sondern auch, weil durch transparente und gerechte Regelungen sowie faires und vorbildhaftes Verhalten von Politikern und Vorgesetzen die Arbeit in der Verwaltung besser und schneller erledigt wird und im Ergebnis Haushaltsmittel eingespart werden.

Dieter Hüsgen

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers / der Verfasserin wieder.