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Rezension

Uwe Saint-Mont: "Die Macht der Daten - Wie Information unser Leben bestimmt"

In seinem bewusst allgemein verständlich geschriebenen Buch versucht Saint-Mont sich am Zusammenhang von Realität, Daten, Information, Wissen und letztlich der Philosophie.Dazu hat er das Buch in vier Teile unterteilt: Statistik (In Daten lesen), Informatik (Mit Daten umgehen), Wissenschaft (Aus Daten lernen), Philosophie (Auf Daten aufbauen). Eigentlich ist das Buch von hinten nach vorne zu lesen. Denn erst im vierten Kapitel erschließt sich dem Leser wirklich, worauf Saint-Mont hinaus will: eine datenbasierte Philosophie und eine philosophische Auseinandersetzung darüber, was sich heute alles mit Daten anstellen lässt. Im Kern plädiert er für die Konzentration auf empirisch messende Wissenschaft. Dabei teilt er ordentlich gegen die Philosophenzunft aus: „Als Mathematiker kann man sich schwer des Eindrucks erwehren, dass […] einerseits oft problematisiert wird, wo es nichts zu problematisieren gibt und andererseits unsensibel, ja grob, über Stellen hinweggegangen wird, wo es gälte, mit einem feinen Pinsel zu arbeiten. […] Anstatt sich zumindest eine Wissenschaft gründlich anzueignen, liest der typische Philosoph nur über Wissenschaft, genauso wie er sich Text für Text über Literatur, Kunst und Politik informiert.“ Doch es geht auch gegen andere Wissenschaftsdisziplinen, dabei jedoch nie gegen einzelne Wissenschaftler: „Auch Psychologen verwenden viel zu wenig Mühe auf das ‚langsame Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß‘. Wie bei den Medizinern steht das ‚Nachkochen‘ der Ergebnisse anderer Leute nicht sonderlich hoch im Kurs, vielmehr schielen sie ebenfalls auf das schnelle, weit müheloser erzielbare, ‚signifikante‘ Ergebnis“ (S. 217).

Insgesamt ist das Buch angesichts des spannenden Titels enttäuschend. Kurze interessante Passagen zur modernen Datensammelwut oder zur Gesundheitskarte werden von vielen langen Passagen überlagert – so zum Beispiel eine Abrechnung des Autors mit dem deutschen Bildungssystem –, bei denen der Bezug zum eigentlichen Anliegen des Buches nur schwach ausgeprägt ist. Gegen Ende des Buches fragt der Autor, warum nicht mehr Forscher, wie im 19. Jahrhundert, auf mehr als einem Feld arbeiten. Wenn man dieses Buch liest, weiß man, warum.

(Christian Humborg)

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