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Rezension

Wrong Michaela: " Jetzt sind wir dran, Korruption in Kenia, Die Geschichte des John Githongo"

Berlin: Verlag Klaus Bittermann 2010, ISBN 978-3-89320-140-20, 423 Seiten. 22 Euro

Wer ist „wir”? Der Buchtitel verspricht eine spannende Darstellung der  Korruption in Kenia und der Geschichte des international bekannt gewordenen Whistleblower John Githongo. Michaela Wrong hat aber noch deutlich mehr zu bieten. Sie verknüpft die Ereignisse um den Anglo-Leasing-Skandal, der Kenias Steuerzahler circa 750 Millionen USDollar gekostet hat, geschickt mit dem größeren Kontext, in dem Korruption stattfindet. Dies erlaubt tiefere Einblicke in die Netze und Funktionen lokaler und internationaler Akteure auf beiden Seiten des Kampfes gegen die Korruption. Am Ende der Lektüre stellt sich für den Leser die Frage: Wer genau sind eigentlich die im Titel Angesprochenen? Einzig auf kenianische Strukturen zu verweisen wäre für die Antwort sicher nicht ausreichend. Dieser größere Rahmen macht das Buch auch für diejenigen lesenswert, die sich für mehr als die außergewöhnliche Geschichte des John Githongo interessieren. Die Autorin zeigt die negativen Auswirkungen der Verknüpfung von Interessen mit Gruppenidentitäten auf. Diese ermöglichen es, das Gefühl des „Wir gegen die anderen“ zu rechtfertigen, welches die im Buch beschriebenen Korruptionsnetzwerke so beständig macht. Besonders erkenntnisreich wird die Lektüre dadurch, dass Wrong hier auch nichtkenianische Akteure, zum Beispiel einige Geberorganisationen, Weltbankfunktionäre und Prominente, wie Sir Bob Geldof, einwebt. Dies macht anschaulich, dass gerade in der  Entwicklungszusammenarbeit Eigeninteressen und funktionale  Zusammenhänge selten an Staatsgrenzen halt machen. Im Buch fasst der Redakteur einer kenianischen Zeitung zusammen: „Wir Afrikaner wissen doch, dass die Entwicklungshilfe  für eure Politiker wichtiger ist als für uns.“ (S.252) Aber herausragende Akteure wie der ehemalige britische Hochkommissar in Kenia Sir Edward Clay zeigen, dass internationales Engagement auch   positive Effekt haben kann. Das Buch zeichnet kein holzschnittartiges Bild eines korrupten Regimes und eines couragierten Einzelkämpfers, der sich diesem  entgegenstellt. Stattdessen stellt es die vielfältigen Zusammenhänge dar, durch die Korruption sich auf subtile Weise ausbreitet. Es macht deutlich, dass dieser Prozess nicht an ethnische oder nationale Gruppen gebunden ist. Gleiches sollte auch beim Engagement für gemeinsame Werte gelten. Die Gretchenfrage, die dem Leser zu beantworten bleibt: „Wie geht es dann weiter, wenn die Prinzipien und die eigenen  Interessen irgendwann nicht mehr zusammenfallen, sondern zueinander in Widerspruch geraten?“
(S. 177). (Timo Behrens)

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